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Der Architekt

Der Architekt

Titel: Der Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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sortiert, als warteten sie nur darauf, endlich wieder von Svenja benutzt zu werden.
    Ben ging an Sophie vorbei in das Zimmer, während sie auch diesmal wieder auf der Schwelle stehen blieb, als würde sie etwas davon abhalten, den Raum zu betreten. Sein Blick fiel auf den Teppichboden. Es war nichts zu sehen. Dort neben dem Bett musste sie gelegen haben. Seine Augen verschleierten sich.
    Er drehte sich um. Auf einer kleinen Anrichte lagen Svenjas Haargummis. Haarspangen, Haarreifen, flauschige Bänder. Kleine Ringe, Kästchen mit Steinen und Münzen, Schachteln mit Plastikschmuck, Schatullen mit Schminkspielzeug.
    »Danke, dass ich mich hier umsehen darf.« Er warf Sophie einen Blick zu. Sie sah ihn gequält an. Sollte er ihr sagen, dass er ein T-Shirt von Svenja in seiner Wohnung gefunden hatte?
    Ihn schwindelte, und es kam ihm so vor, als hätte er Fieber. Sie würde es nicht verstehen. Sie würde es der Polizei sagen wollen.
    »Sieh mal hier«, sagte er und zeigte auf ein Bild, das über dem Bett an der Wand hing.
    Jetzt kam Sophie doch ein paar Schritte zu ihm in das Zimmer.
    »Das hat Svenja gemalt?«
    Sie nickte. »Wir haben ihre Bilder alle geliebt.«
    Ben beugte sich vor, um die Details zu betrachten. »Das ist ein Garten, oder? Mit einem Haus. Und was ist das?«
    »Ein Schmetterling, siehst du das nicht?«
    »Nein, das hier, hier unten.«
    Sophie beugte sich ebenfalls vor, und Ben wandte sich ab, drehte sich um seine Achse. »Ah!«
    Er war gegen die Anrichte mit den Schmucksachen gestoßen.
    »Pass doch auf!« Sophie standen die Tränen in den Augen. »Reicht es jetzt?«
    »Ja.« In seiner Hand brannte es. Sie umschloss ein Haargummi.
    »Dann komm, gehen wir.«
    Ben wankte zur Tür. Sein Kopf glühte, er ging wie auf einem Wasserbett.
    Sophie schloss die Tür hinter ihnen.
    Ben wusste, dass er bleich war und tiefe Ringe unter den Augen hatte.
    »Danke«, sagte er noch einmal, etwas anderes fiel ihm nicht ein.
Sie wird denken, dass mich der Anblick des Zimmers so mitgenommen hat.
    Sophie ging über die Galerie voraus.
    »Am besten, ich fahr gleich wieder«, presste er hervor, als sie die Treppe hinunterschritten. Er spürte, dass er sie verärgert hatte, weil er gegen die Anrichte gestoßen war. Vielleicht ahnte sie, dass etwas nicht stimmte, dass er ihr etwas verheimlichte.
    »Ja«, hörte er ihre Stimme. Sie drehte sich nicht um. »Das ist vielleicht wirklich das Beste.«

55
    »Es ist die Verfügbarkeit, die süchtig macht.« Die Frau hatte ihre Stimme gesenkt, die Haare hingen halb über ihr Gesicht. Sie hatte sich zu Mia heruntergebeugt, die mit dem Kopf auf ihrem Schoß lag. »Wenn man das einmal erlebt hat, will man es immer wieder haben. Man kann es nicht mehr vergessen, ist süchtig danach. Nichts anderes kommt da mehr ran.«
    Mia versuchte, durch das Halbdunkel hindurch in den Augen der Frau zu lesen. Sie hatte einen klaren, aufmerksamen Blick. »Manche sagen, es ist wie ein Infekt, etwas Ansteckendes.«
    Mia zog die Beine an und schlang die Arme darum. Sie fühlte, wie sie innerlich weich wurde. Sie kämpfte nicht dagegen an. Tränen traten ihr aus den Augen, benetzten ihr Gesicht. Aber sie wagte es nicht, einen Laut von sich zu geben.
    Die Frau wandte den Blick nicht von ihr ab. »Ist es schlimm?«
    Seit Wochen war sie die Erste, mit der Mia reden konnte. Sie nannte sich Vera und hatte Mia schon ein paarmal besucht. Was hatte Vera in diesem Labyrinth verloren, erst recht hier, in diesem Bereich, in den sie Mia gebracht hatten?
    »Hm?« Die Frau sah sie freundlich an. Sie war hübsch, sah gepflegt aus, zerbrechlich.
    Ist es schlimm?
    Mia starrte sie an. Sollte sie fragen, ob Vera ihr helfen konnte?
    »Es wird sehr darauf geachtet, wer von der Anlage hier erfährt«, fuhr Vera fort. »Man will unter sich bleiben. Natürlich ist all das hier …«, sie sah in den Schacht hoch, der über ihren Köpfen bis in die oberen Etagen der Anlage reichte, »…
geheim,
verstehst du?« Sie blickte wieder hinunter zu Mia. »Das ist es ja gerade, was für viele den Reiz ausmacht. Den Kick, den sie brauchen, wenn alles andere ausgedient hat. Hier gibt es ihn, und hier holen sie ihn sich.«
    Und du?, dachte Mia. Wieso bist du hier? Doch kaum hatte sie den Gedanken zu Ende gedacht, wurde sie auch schon von der Antwort überflutet: Um mich zu sehen, um mich zu besuchen, oder? Deshalb bist du hier!
    Der Druck ihrer Arme, mit denen sie sich an Vera klammerte, musste sich verstärkt haben, denn Vera beugte sich zu ihr

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