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Der Architekt

Der Architekt

Titel: Der Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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es ja selbst so gewollt. Aber sie hätte ihrer Mutter Lebewohl sagen müssen.
    Mia drehte sich auf die Seite und rollte sich unter der Decke zusammen. Sie kämpfte nicht länger gegen die Tränen an, die sie überschwemmten.

61
    Als Ben die Hintertür seiner Wohnung aufriss, hatte er das Jackett und den Mantel wieder an, aber weder Hemd noch Pullover. Dazu war die Zeit zu knapp. Mit lautem Poltern stürzten die Scheuereimer und der Besen die Stufen hinunter, als er auf den Treppenabsatz hinaussprang und die Tür hinter sich zuschlug. Er sprintete die Treppe hoch. Unten mussten sie bereits auf ihn warten.
    Seine Wohnung lag im obersten Stock. Ben hatte das Gefühl, über die Stufen förmlich getragen zu werden. Die Tür zum Dachboden war unverschlossen. Er flog hindurch. Das Gebälk unter dem Dach musste in Kriegszeiten Feuer gefangen haben, die Balken waren noch immer rußverschmiert. Er rammte mit dem Kopf gegen einen von ihnen, hörte aber mehr ein dumpfes Dröhnen, als dass er den Schmerz verspürt hätte. Auf der anderen Seite des Dachbodens lag die Tür, die in das Hinterhaus des Fabrikgebäudes führte. Er riss sie auf, raste die Stufen im Hinterhaus hinab.
    Unten angekommen, hatte sich ein bohrendes Stechen in seine Seite gefressen. Er musste falsch geatmet haben. Er rannte durch den kurzen Stichflur zu dem Eingang, der auf die Seitenstraße hinausführte.
    Draußen traf ihn die kühle Frühlingsluft, strich mit spitzen Fingern über seine Haut, linderte den Juckreiz. Er hastete die Seitenstraße entlang, drosselte seine Schritte, kurz bevor er die Hauptstraße erreicht hatte, an der der Hauseingang zu seiner Wohnung lag.
    Den Körper an die Mauer gepresst, schob er den Kopf nur so weit nach vorn, dass er gerade um die Ecke spähen konnte.
    Vor dem Hauseingang stand ein Polizeiwagen. Wahrscheinlich waren sie gerade dabei, seine Wohnungstür aufzubrechen.
    Er griff in seine Tasche, das Handy war ausgeschaltet. Er hatte es vorhin bei Sophie ausgemacht. Konnten sie ihn auch bei abgeschaltetem Handy orten? Das Gerät flog auf den Bürgersteig. Als sich seine Ferse in das Plastikgehäuse bohrte, knirschte es.
    In entgegengesetzter Richtung sprintete er davon.

62
    Der ganze Bau war erfüllt vom Summen, Brummen und Knistern der Party. Die Unruhe schien ihre Fühler bis zu Mias Bett auszustrecken, an der Decke zu zupfen, von unten gegen die Matratze zu trommeln.
    »Es wird niemals wieder so werden wie früher«, sagte Vera und stützte sich mit beiden Händen rechts und links von Mias Kopf auf. »Das muss dir klar sein. Ich kann dich mitnehmen, aber das musst du wissen.«
    Mia sah in Veras Augen, unendlich erleichtert, dass sie zurückgekommen war. Schritte hallten vom Flur her. Das helle Klackern von Absätzen.
    »Willst du das?« Vera schaute sie an.
    »Ich will weg von hier«, flüsterte Mia.
    Vera schwieg. Auf der anderen Seite der Wand, an der Mias Bett stand, schien sich etwas Weiches gegen den Putz zu wälzen.
    »Okay«, sagte Vera, »dann machen wir das.«
    Mia hatte den Eindruck, ihre Arme würden sich aus einem schweren Schlamm befreien, in dem sie seit Wochen gefangen waren. Sie flogen von der Bettdecke hoch und Vera um den Hals. Vera ließ sich von Mia auf die Decke drücken, an sich pressen.
    »Gehen wir gleich, heute, jetzt«, hauchte Mia in Veras Ohr, ihr Atem flog. »Ich will mich nur noch von Dunja verabschieden.« Sie ließ Vera los, rutschte mit dem Oberkörper etwas nach oben. »Dann können wir los.«
    Vera hatte sich wieder aufgerichtet, ihre Augen schimmerten.
    »Was?« Mias Mund wurde trocken.
    »Ich weiß nicht …«
    »Das geht ganz schnell.«
    »Dunja …«
    »Was ist mit ihr?«
    »Ich …«
    »Ja?«
    »Ich glaube, sie hat heute keine Zeit für dich.«
    Mia wollte etwas sagen, aber es kam nur ein Keuchen über ihre Lippen. Sie sah ihn vor sich. Den Trichter. Von dort kamen die Geräusche her. Es war im Gange, die Orgie lief, jetzt, in diesem Moment.
    »Sie sollte heute in die Klinik und war auch einverstanden.«
    Es traf Mia wie ein Rammbock in die Magengrube.
    Vera berührte ihren Arm. »Sie will es so, Mia … du kannst nichts für sie tun.«
    Mia hatte die Beine angezogen, den Kopf auf die Knie gestützt. Sie spürte, wie ihre Schultern zitterten.
    Draußen setzte sich das dumpfe Dröhnen fort. Irgendetwas raschelte über den Gang, wie ein Wesen mit zu vielen Beinen. Mia riss den Kopf hoch, der Schweiß rann ihr den Rücken hinab. »Wir müssen sie mitnehmen, wir müssen Dunja

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