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Der arme Drache (German Edition)

Der arme Drache (German Edition)

Titel: Der arme Drache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Heiser
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die gesamte Nacht,
um alles zu erzählen. Ihr Leben bei ihrem Großvater nahm
dabei vor Olivers Augen Gestalt an. Oft fing sie dabei zu weinen an
und jedesmal, wenn das passierte, war Oliver zur Stelle und kuschelte
sich ganz vorsichtig an sie. Seine Flügel legten sich dann wie
ein Umhang um ihre schmalen Schultern und sofort verspürte das
Mädchen Geborgenheit und Wärme, obwohl sein Körper
natürlich der eines Kaltblüters war.
    Keiner
von beiden bemerkte, wie später das Licht des Feuers langsam
erlosch und vom Licht der aufgehenden Sonne abgelöst wurde, als
Maries Erzählung endete. Die Sterne mochten gelauscht haben oder
auch nicht, nun aber waren sie zu Bett gegangen.
    „ Es
tut mir so leid, dass ich dich mit meinen Sorgen belaste, denn du
selbst siehst auch nicht gerade glücklich aus“, sagte
Marie schließlich.
    „ Ich bin auch nicht
glücklich, aber ich höre gerne zu und freue mich, dir eine
Last von der Seele nehmen zu können.“
    „ Was
macht dich unglücklich?“ fragte Marie.
    Oliver
sah sehr niedergeschlagen aus und er sprach:
    „ Siehst
du es denn nicht? Ich besitze keinen Goldschatz. Was ist ein Drache
ohne seinen Goldschatz? Ich fühle mich so allein und habe nur
Stroh, auf dem ich schlafen kann.“
    Dann
seufzte er und betrachtete wehmütig das goldene Haar des
Mädchens. Wieder meldete sich dieser unbestimmte Gedanke in
seinem Kopf. „Das Einzige, was mir geblieben ist, ist diese
Halskette hier.“ Er zog eine dünne, silberne Kette aus der
Unordnung seines Krimskramses und zeigte sie Marie. Sie war alt und
fleckig und lag wohl schon sehr lange hier herum.
    „ Nicht
besonders hübsch, was? Aber diese Kette war das Einzige, das ich
verstecken konnte.“ Dann erzählte er ihr von all den
Rittern und angeblichen Helden, die sich wie gemeine Diebe benommen
und alles gestohlen hatten. Sie hörte aufmerksam zu und schenkte
ihm ein Lächeln, traurig darüber, dass sein Gesicht aussah
wie sieben Tage Regenwetter.

    Auch
Marie hatte eine schwere Last auf der Seele, von der sie Oliver am
nächsten Tag berichtete. Jemand würde ihren Großvater
bestatten müssen, damit sein Körper wieder zur Erde
zurückkehren konnte. Niemandem konnte sie diese Verantwortung
überlassen, denn es gab niemanden, der ihm näher gestanden
hätte als sie. Und es musste schnell geschehen, damit seine
Hütte nicht von Aasfressern heimgesucht würde.
    "Das
verstehe ich sehr gut", meinte der Drache. "Ich kann dir
nicht sagen, was wir Drachen mit unseren Toten anstellen. Wie könnte
ich? Aber ich kann verstehen, was ihr Menschen tut. Es scheint ...
Sinn zu machen."
    Er
sah ihr an, dass sie sich nicht traute ihn um Hilfe zu bitten, da sie
sich ja kaum kannten, und da sprach er:
    "Mit
meinen Klauen kann ich sehr gut graben. Wenn du willst, helfe ich dir
... ein ... Grab zu ..."
    Er
stockte, um den Moment nicht versehentlich dazu zu nutzen, Salz in
ihre Wunde zu streuen. Sie sah zu ihm auf, lächelte dankbar und
nickte ernst.
    Damit
war alles gesagt.
    Schweren
Schrittes machten sie sich am späten Morgen auf zur Hütte.
Oliver, der diese Gegend immer gemieden hatte, blickte sich
aufmerksam und vorsichtig um, Marie hielt den Kopf schwermütig
gesenkt. Nach einem schweigenden Marsch durch die frostigen Lande am
Ziel angelangt, vollzogen sie auch die Arbeit der Bestattung in
völliger Stille. Nur Olivers Krallen, die die harte Erde
aufwühlten, durchdrangen den festen Schleier der Ruhe. Um die
Hütte herum lag der Wald in Nebel, als wollte das Land selbst
den Großvater in allen Ehren über den dunklen Fluss
geleiten.
    Es
wurde Nachmittag, bis die beiden wieder zurück in der Höhle
waren, wo Marie weiterhin schwieg und Oliver verlegen sein
Sammelsurium befingerte, damit er nicht in ihr niedergeschlagenes
Antlitz sehen musste. Als er es nicht mehr aushielt sagte er:
    "Du
kannst hierbleiben solange du willst. Nur, falls du gerade nicht nach
Hause ..."
    Ein
Schniefen des Mädchens unterbrach ihn, doch als er sie
anschaute, hielt sie die Tränen zurück und lächelte
tapfer.
    "Danke",
hauchte sie. Und das war mehr als genug.

    So
blieb sie viele Tage in Olivers Höhle. Sie erzählten sich
Geschichten, kuschelten sich aneinander, wenn sie schliefen, und
Oliver erfreute sich tagein tagaus an ihrem wunderschönen Haar.
Es war fast so, als hätte er wieder einen Goldschatz und er war
so glücklich wie schon lange nicht mehr.
    Marie
fühlte sich sehr wohl in seiner Höhle und half ihm, ein
wenig Ordnung in seinen übrigen Besitz zu

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