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Der Arzt von Stalingrad

Der Arzt von Stalingrad

Titel: Der Arzt von Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gehalten … ich habe meine Kameraden verraten, ich habe sie bespitzelt, ans Messer geliefert … ich bin ein Schwein geworden, ein Lump, ein verfluchter Hund, weil ich an die Versprechen glaubte und wieder nach Hause wollte, zu meiner Frau und den vier Kindern! Ich habe alles erfüllt, was man von mir wollte … ich hätte euch die Ärsche abgeleckt, nur, um in die Heimat zu kommen! Und nun haltet ihr euer Versprechen nicht, wo ich meines gehalten habe! Ihr Bande! Ihr Sauhunde!«
    Er taumelte auf den Tisch zu. Worotilow sah ihm entgegen, starr, maskenhaft. Schwer stützte sich Grosse auf die Platte. »Ich will nach Hause«, brüllte er. »Ich will endlich meinen Lohn!«
    »Den haben Sie gehabt.« Worotilow setzte sich langsam. »Sie haben Scheiße gefressen – was wollen Sie mehr?«
    »Herr Major …« Der Plenni röchelte. Er sank in die Knie, sein Kopf schlug auf die Tischplatte auf. »Ich habe es nur getan, weil ich Angst hatte! Ich wollte leben! Leben! Ich war so feig, so feig! Ich habe meine Kameraden verraten. Ich habe mich verkauft, um nach Hause zu kommen! Und jetzt lassen Sie mich hier? Jetzt kommen sie alle nach Hause, und ich muß bleiben? Ich überlebe das nicht! Ich mache Schluß! Ich mache es wie der Kerner! Ich bringe mich um!«
    Worotilow sah nachdenklich auf die zusammengesunkene Gestalt. Ohne Zweifel – Walter Grosse war am Ende seiner Kräfte. Er würde lieber den Tod wählen, als noch ein oder zwei Jahre im Lager bleiben, aus dem gruppenweise seine Kameraden entlassen werden. Daß er nicht auf der Liste stand, wußte Worotilow. Er hatte selbst den Namen überschlagen. Ein neuer Selbstmord aber würde in Moskau übel vermerkt werden, nachdem der Tod des Gefreiten Julius Kerner bereits die Aufmerksamkeit des Generalkommandos auf das Lager gezogen hatte.
    »Ich werde bei den ersten Transporten mit Moskau sprechen«, sagte er ausweichend. »Gehen Sie jetzt, Grosse! Ich werde mich für Sie einsetzen. Daß Sie ein erbärmlicher Hund sind, wissen Sie! Vielleicht gibt man Ihnen in Deutschland eine Chance, sich wieder reinzuwaschen. Für uns ist der Verräter weniger als Mist! Vor allem einer, der seine Pflicht erfüllt hat und zu nichts mehr nütze ist als zum Sterben! Merken Sie sich das, Grosse! Und wenn Sie wirklich nach Deutschland zurückkommen, arbeiten Sie wie ein Tier. Sie haben viel gutzumachen …«
    Langsam zog sich Walter Grosse vom Boden hoch, er sah Worotilow nicht an, als er das Zimmer verließ. Er taumelte durch den Gang, die Treppe hinunter, vorbei an den wachfreien Rotarmisten, die um einen offenen Ofen saßen und rauchten. Schwankend ging er durch das große Tor ins Lager zurück … er stolperte über den Appellplatz, seine Augen waren starr und leer. Mitten im Schritt hielt er ein … er sah sich erstaunt um, als habe ihn hinterrücks jemand berührt … dann fiel er nach vorn in den Schnee und blieb steif liegen.
    Ein paar Plennis, die vor den Baracken standen, hoben ihn auf … er war steif wie ein Holzklotz, die Augen schienen leblos, der Mund stand offen, als wollte er noch in der Besinnungslosigkeit eine Frage herausschreien.
    So trugen sie ihn ins Lazarett und riefen Dr. Böhler. Sellnow kam aus seinem Zimmer, sah den Unbeweglichen an und runzelte die Stirn.
    »Er kippte einfach um. Beim Gehen! Draußen auf dem Platz.« Die Plennis legten den Körper auf ein frisches Bett. »Es ist der Kerl, der den Spitzel für den Iwan gemacht hat! Lassen Sie den ruhig krepieren …«
    Dr. Böhler und Dr. Schultheiß kamen ins Zimmer. Nach kurzer Untersuchung richtete sich Dr. Böhler auf.
    »Gehirnschlag! Völlige Lähmung aller Zentren. Ein Wunder, daß er noch lebt … er kann noch atmen, aber sonst ist alles gelähmt! Haben wir lösende Mittel da?« Er wandte sich an Dr. Schultheiß. Der junge Arzt schüttelte den Kopf.
    »Nichts! Nur die üblichen Medikamente. Kampfer, Strophanthin, Cardiazol. In der Apotheke in Stalingrad ist kaum etwas zu haben! Und wenn, dann nur uns unbekannte amerikanische Mittel, deren klinische Anwendung wir nicht kennen.«
    Dr. Böhler sah erschüttert auf den starren Walter Grosse. Er wußte, daß er alles hörte, daß er alles verstand, was um ihn herum gesprochen wurde, daß er alles verfolgte, aber daß es ihm unmöglich war, sich verständlich zu machen. Nur in den Augen, in diesen weit aufgerissenen, großen, hervorquellenden Augen stand das Entsetzen.
    »Wir werden ihn schon wieder hinkriegen«, sagte Dr. Böhler tröstend. »Bis die Transporte gehen,

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