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Der Arzt von Stalingrad

Der Arzt von Stalingrad

Titel: Der Arzt von Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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freie, strömende Wasser. Sie hielten mit der Arbeit ein und winkten den Heimkehrenden zu. Gute Fahrt, Kameraden! Grüßt die Heimat! Die Mutter! Die Braut! Den Vater! Die Frau! Die Kinder! Vergeßt uns nicht, Kameraden! Schickt uns weiter die Pakete … sagt es allen … Wir leben nur noch, wenn ihr uns ernährt … wir sind am Ende unserer Kraft … Vergeßt es nicht, Kameraden! Vergeßt es nicht!
    Die 683 auf den Wagen winken zurück. Auch die Posten mit den Maschinenpistolen vor der Brust winken kurz herüber. Dann arbeiten die Kolonnen weiter … ihre Sprengschüsse zerreißen die Stille der Steppe … das Eis der Wolga kracht auseinander und treibt in großen Schollen langsam nach Süden.
    Es ist Frühling, Kameraden! Und wir fahren nach Deutschland.
    Die 683 auf den Wagen singen. Sie singen mit Tränen in den Augen. Ein Transportoffizier, der das Singen verbieten will, bekommt hundert deutsche Zigaretten. Da lacht er und wendet sich ab. Laß sie singen, denkt er. Wir haben auch gesungen, als wir aus deutscher Gefangenschaft zurückfuhren. Wir haben die Bilder Stalins auf die Kühler der Autos gebunden und rote Fahnen geschwenkt. Laß sie singen, Brüderchen Leutnant …
    Dr. Schultheiß blickte zurück auf die Straße. In der Ferne zog sich das dunkle Band der Wälder hin. Dort lag, nahe am Rande der dichten Tannen, das Grab Janinas. Sie war an ihrer Liebe gestorben, als sie sah, daß sie zusammenbrechen würde unter der Unerbittlichkeit des Schicksals. Jetzt lag sie allein in der Öde Rußlands, ein kleiner, zarter Körper, der so heiß wurde, wenn er liebte. Und Dr. Schultheiß wußte, daß er seine Jugend und sein Herz zurückließ in dem kleinen Grab am Rande der Wälder.
    Langgezogen rollte die Kolonne durch die Schneelandschaft, Stalingrad entgegen.
    Hans Sauerbrunn und Karl Georg aßen schon wieder. Wer weiß, ob man uns in Stalingrad nicht filzt, sagten sie sich. Und was man in sich hat, kann keiner nehmen! Sie hatten sieben Lagerverlegungen durchgemacht, und jedesmal standen sie ärmer da als zuvor.
    »In vier Wochen können wir in Deutschland sein«, sagte einer. »Wenn alles glattgeht.«
    »In vier Wochen?«
    »Oder in sechs! Wir sind ja am Ende der Welt! Und nach Moskau müssen wir auch noch. Sagen wir ruhig sechs Wochen, Jungens.«
    Vier oder sechs Wochen … wenn es nur keine Jahre mehr sind. Sechs Wochen … und dann bei Muttern! Auf dem Sofa! Und ein Glas Bier! Das zischt, wenn es durch die Gurgel läuft! Und dazu eine Stulle dick mit Butter und Gehacktem, schön mit Zwiebeln und Ei und Salz und Pfeffer! Und das Radio spielt … es ist mollig warm in der Stube … und Mutter läuft um einen herum und kann es noch gar nicht fassen, daß der Alte wieder da ist. Aus Rußland … nach acht Jahren! Und dann in der Nacht, im Bett … Mensch, Justav, ick kann nich weiterdenken …
    Was sind da sechs Wochen …?
    Als der letzte Wagen aus dem Lager rollte, trat Major Worotilow in den Operationssaal. Die Schwestern Martha Kreutz und Ingeborg Waiden standen neben Dr. Böhler, der sich im weißen Mantel, aus einem alten Bettuch geschneidert, über den narkotisierten Patienten beugte. Er blickte kurz zur Seite, als Worotilow eintrat, und arbeitete dann weiter.
    Einen Augenblick stand der Major verblüfft in der Tür, dann zog er sie schnell zu. Der Geruch von Äther, Blut und Eiter drang auf ihn ein. Wie immer spürte er ein Würgen im Hals und zwang den Ekel nieder. Langsam trat er näher.
    Zwischen den blutigen Abdecktüchern sah er einen aufgetriebenen, vereiterten Unterleib. Dr. Böhler war gerade dabei, mit einer langen Pinzette den Kern eines Geschwüres aus dem Muskelgewebe zu lösen. Worotilow schluckte.
    »Sie sind weg«, sagte er leise.
    Dr. Böhler sah auf und nickte. »Fiel es Werner schwer?«
    »Sehr. Ich habe ihn mit Gewalt wegbringen lassen.«
    »Das war gut von Ihnen. Ich danke Ihnen, Worotilow.«
    »Sie haben keinen Abschied genommen …«
    Dr. Böhler beugte sich über das Operationsfeld. »Dieser Unterleibsabszeß ist wichtiger. Der Mann wimmerte vor Schmerzen … ich mußte ihm helfen …«
    »Helfen!« Worotilow faßte den weißen Ärmel Dr. Böhlers. »Wann denken Sie einmal an sich?«
    »Nachts …« Die Pinzette tastete nach dem Eiterherd. »Nachts bin ich schon seit Jahren zu Hause in Deutschland … Die Tage sind nur eine Unterbrechung meiner Träume …«
    Wortlos verließ Major Worotilow das Zimmer. Als er die Tür schloß, hielt Dr. Böhler einen Augenblick inne.
    Zum erstenmal

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