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Der Arzt von Stalingrad

Der Arzt von Stalingrad

Titel: Der Arzt von Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zitterte das Instrument in seiner Hand …
    Drei Jahre später – in einer sternklaren Winternacht – betrat auch Dr. Böhler bei Helmstedt an der Zonengrenze den Boden der Heimat. Er kam als einer der Letzten aus der Steppe an der Wolga, und er sprach ein paar ergriffene Worte des Dankes. Die Fackeln loderten durch die kalte Nacht … der Jubel von Tausenden Menschen hatte die Heimkehrer umbraust … nun stand Dr. Böhler da, hager, schlank, mit lichtem Haar und schmalen Lippen. Er hatte eine so tiefe Sehnsucht nach Ruhe, nach Schlaf, nach Vergessen, nach Freude, nach Liebe, nach stillem, arbeitsreichem Werktag.
    Als er aus dem Omnibus stieg und sich umsah, stürzte Sellnow in seine Arme und schluchzte vor Freude. Er war der erste, den er begrüßte – dann erst küßte er seine Frau und sein Kind, stumm, ohne Worte, weil ihm die Kehle zugeschnürt war und das Herz zuckte. Wie leblos ließ er sich in die Mitte nehmen und zum Lager geleiten, wo Dr. Schultheiß stand, der große, schlanke, blonde Junge mit den Kinderaugen, die noch in die Ferne blickten, als suchten sie das Grab Janinas an den Wäldern der Wolga. Er drückte seinem Chef stumm die Hand. Jetzt sind wir alle da, dachte er. Das ganze Lazarett … Emil Pelz wartet in der Schreibstube des Lagers, er wollte nicht herauskommen, weil er Angst hatte, loszuheulen …
    »Sie sehen gut aus, Jens«, sagte Dr. Böhler leise. Dann schwieg er wieder, weil er spürte, daß er nicht weitersprechen konnte.
    Er mußte an das Lager denken. 5110/47 an der Wolga, nahe den Wäldern, aus denen im Winter die Rudel der Wölfe brachen und sich hungrig gegen den Drahtzaun warfen, bis die Posten auf den Türmen sie erschossen.
    Heute wie vor Jahren, dachte er, heute und morgen und ewig, solange die Erde sich dreht, wird der Wind der Steppe über die Ebene an der Wolga streichen, wird der Schnee hereinwehen von den dichten Wäldern, werden hungrig die Wölfe heulen und wird das Eis auf der Wolga krachen, wenn sich die Schollen gigantisch übereinandertürmen. Es wird einen blauen Himmel geben und einen dumpfen, bleiern grauen, aus dem der Schnee rieselt wie im Märchen. Es wird den Fluß geben, den ewigen Strom von Mütterchen Rußland, die Wälder, aus denen die Axthiebe der Holzfäller klingen; der Jäger im Lammpelz wird durch die Büsche streichen und seine Fallen stellen, und der Bauer wird seinen Traktor über die Felder führen und den Samen in die fruchtbare Erde legen.
    Und Himmel und Sonne, Schnee und Wind, Wälder und Fluß werden den Flecken Steppe umgeben, auf dem einmal ein langer Zaun aus Draht stand, unterbrochen von hohen, hölzernen Wachttürmen, einem großen Tor vor hingeduckten, langen Baracken … Block an Block …
    Das Lager Stalingrad.
    Das Lager 5110/47.
    Werner von Sellnow sah zu Dr. Böhlers Frau hinüber, die mit glücklichen Augen zu ihrem Mann aufschaute. »Geben Sie ihm doch einen Kuß«, sagte er lachend. »Ich fürchte, er glaubt noch gar nicht, daß er endlich zu Hause ist …«

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