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Der Arzt von Stalingrad

Der Arzt von Stalingrad

Titel: Der Arzt von Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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alle pflegerischen Möglichkeiten und ohne herzstützende Medikamente? Es sah wirklich verzweifelt aus, obgleich man sagen konnte, daß die Operation soweit gelungen war. Der Chef war damit beschäftigt, den Stumpf zu übernähen. Sellnow hatte ihm in eine gewöhnliche Nähnadel Seide eingefädelt, und Böhler mußte ohne Nadelhalter die Naht durchführen. Ich schaute ihm wie gebannt zu, wie er in höchster Eile, aber dennoch mit großer Präzision die Nähte zusammenzog, und schreckte förmlich auf, als er die Kasalinsskaja anschrie:
    »Zum Donnerwetter, nehmen Sie die Maske weg, wollen Sie den Patienten umbringen!«
    Jetzt sah ich es auch. Die Wunde war blau angelaufen. Die Kasalinsskaja hatte zuviel Äther aufgeträufelt, und der Patient war in Gefahr, zu ersticken. Ich griff nach dem Puls und schätzte mindestens hundertsechzig Schläge. Sellnow knurrte mich an:
    »Nehmen Sie dem Weibsstück die Ätherflasche weg und führen Sie die Narkose weiter. Zu nichts Vernünftigem sind diese Bestien zu gebrauchen.«
    Ich tat wie befohlen. Die Ärztin überließ mir willenlos Maske und Tropfflasche. Schwankend verließ sie den Operationssaal. Sie hatte offensichtlich vollkommen schlappgemacht.
    Die beiden Chirurgen standen abwartend da und beobachteten. Sie konnten nichts tun. Man mußte der Natur ihren Lauf lassen und hoffen, daß der Kranke sich von selbst erholen würde. Ich machte zusammen mit Pelz künstliche Atmung.
    Wir hatten Glück. Die blauen Lippen und das fahle Gesicht färbten sich wieder, und der Puls beruhigte sich.
    »Ich glaube, Sie können weitermachen, Herr Stabsarzt«, meldete ich.
    »Dräns!« befahl Böhler, und Pelz brachte einen Topf, auf dessen Grund einige dünne Schläuche aus Kunststoff lagen. Es waren ursprünglich Kabelisolierungen gewesen, die der findige Böhler sich zum Dränieren bei Operationen ›organisiert‹ hatte.
    Er war damit beschäftigt, zwei der Schläuche in die Wunde einzunähen, als die Tür zum Raum stürmisch aufgerissen wurde und die Kasalinsskaja hereintrat. Sie hielt ein Paket in der Hand, reichte es mir hin und rief:
    »Da habt Ihr, gutt für Peritonitis!«, worauf sie sich umdrehte und wieder hinausging. An der Tür wandte sie sich noch einmal zurück und rief: »Verdient habt Ihr es nicht!«
    Ich hatte gerade wieder die Maske aufgesetzt und für den Verschluß der Wunde wieder Narkose gegeben. Verblüfft nahm ich die Tropfflasche zurück und starrte auf das Päckchen, das ich in der linken Hand hielt. ›Penicillin‹ stand darauf und eine englische Gebrauchsanweisung. Es handelte sich offenbar um ein amerikanisches Präparat.
    »Was ist denn los?« herrschte mich Böhler ungeduldig an, »machen Sie schon mit der Narkose weiter.«
    »Es ist Penicillin-Pulver«, antwortete ich, »offenbar geeignet zur lokalen Behandlung der Bauchfellentzündung bei Operationen.«
    »Ach – das sagenhafte Penicillin«, meinte Böhler. »Pelz, öffnen Sie das Päckchen, schaden können wir ja damit wohl nicht.«
    Er ließ Sellnow reichlich Penicillin-Puder in die Wunde streuen und nähte dann mit der Hausfrauennadel und den seidenen Fäden aus dem Schal des Küchenmädchens Bauchfell und Muskulatur zusammen. Die aus der Wunde herausragenden beiden Dräns sicherte er über der Haut mit Sicherheitsnadeln.
    Eine knappe Stunde hatte die Operation gedauert. Das Schicksal des Kranken lag jetzt in Gottes Hand. Pelz und zwei Leichtkranke trugen ihn hinaus in ein kleines Zimmer am Ende des Ganges, in dem die Schwerkranken lagen.
    Fünf Männer: Ein Fünfundvierzigjähriger mit einer Gelbsucht. (Wir zitterten ständig, daß er alle anderen anstecken würde, aber es gab keine Möglichkeit, ihn zu isolieren.)
    Ein Dreiundvierzigjähriger mit einem schweren Herzleiden und Wasser in den Beinen und im Bauch. Er war Vater von vier Kindern. Ein Verletzter, dem ein Baumstamm beide Hände abgequetscht hatte und der jetzt, nachdem wir Besitzer eines Taschenmessers waren, operiert werden konnte.
    Ein schwerer Fall von Hungerödem, der uns sehr zu schaffen machte.
    Ein Mann mit Starrkrampf, der im Sterben lag. Der Arme war sechsunddreißig Jahre alt, jung verheiratet. In der Gefangenschaft hatte er erfahren, daß seine Frau an der Geburt ihres ersten Kindes gestorben war. Damals rannte er gegen den Stacheldrahtzaun, um sich von den russischen Posten erschießen zu lassen. Aber der Posten war an diesem Tag guter Laune und bewarf ihn mit faulem Obst. Der Lebensmüde suchte sich dann auf der Baustelle einen

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