Der Assistent der Sterne
eines gab, ein Zaubernetz, eine von isländischen Feen errichtete Mobilfunkantenne. Die Isländer waren von der Existenz der Feen überzeugt, er hatte gelesen, dass sie beim Straßenbau auf Felsblöcke Rücksicht nahmen, in denen eventuell Feen hausten; sie bauten unter hohen Mehrkosten die Straße um die Felsblöcke herum, und sie hätten nie auf einem Feenhügel ein Haus errichtet, weil dann das Vieh starb. Aber ein Netz gab es hier draußennicht, an Kommunikation waren die isländischen Feen offenbar nicht interessiert.
Ich komme von hier nicht weg, dachte er. Er stieß mit dem Ellbogen gegen eine Wand, er hatte das Gefühl, sich hier nicht mehr frei bewegen zu können. Er griff in seine Tasche, berührte die Wagenschlüssel, sie beruhigten ihn, sie waren in seinem Besitz. Diese Schlüssel waren sein Pfand, er würde sie erst herausgeben, wenn De Reuse sich bereit erklärte, ihn nach Reykjavík zurückzufahren.
Für heute war es genug. Es war still im Haus, alle schienen schon zu schlafen, sie waren klüger als er. Er ging in sein Zimmer. De Reuse hatte tatsächlich das Bett bezogen, das Zimmer wirkte dadurch etwas gastlicher. In den Kleidern legte Jensen sich auf die Pritsche. Sie quietschte, als hätte er sich auf einen Wurf Ferkel gesetzt.
Egal, dachte er.
Er konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal so müde gewesen war. Die Wagenschlüssel in der Hosentasche hielt er fest umklammert. Wie ein Kind, dachte er und schlief ein.
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6
D IE FERKEL QUIETSCHTEN , die Spanten knarrten, jemand rief: »Wer hat das Küchenfenster offen gelassen!« Ein Hund bellte.
Jensen setzte sich im Bett auf, benommen von seinem Traum.
Er hatte von Pierre Lulambo geträumt. Lulambo hatte an einem dicken Tau ein altertümliches Segelschiff über das in der Sonne glänzende Eis gezogen. Ein Hund hatte ihn dabei angebellt, ein Polarhund.
Der Hund bellte nun aber weiter.
Ein Hund, dachte Jensen.
Es dauerte eine Weile, bis er begriff, was das bedeutete: Es war jemand gekommen. Jemand aus Húsafell, vier Meter hohe Birken. Und wer immer es sein mochte, er war bestimmt nicht auf Skiern gekommen, sondern mit einem Wagen.
Jensen stand von der Pritsche auf und blickte durch das winzige Fenster seiner Kammer. Er rieb mit dem Ärmel über die beschlagenen Scheiben, aber es wurde dadurch draußen nicht heller. Keine Schweinwerfer, keine Sterne, nur gleichförmige Dunkelheit, in der das Haus zu schweben schien, denn es war nicht zu erkennen, wo Himmel und Boden sich trennten. Oder ob die Nacht vorbei und bereits der dunkle isländische Tag angebrochen war. Jensen trug aus Prinzip nie eine Armbanduhr, eine Marotte, die er schon oft bereut hatte. Seinem Gefühl nach hatte er lange geschlafen; auch das Gebell und die Stimmen im Haus sprachen dafür, dass die Nacht überstanden war.
Er entriegelte die Kammertür und eilte zur Treppe, vorbei an dem Gemälde. Er zwang sich, nicht hinzusehen; der maliziöse Blick jener Frau hatte etwas Unwiderstehliches.
Das Hundegebell kam aus der Küche. Dort würde man also einen Besucher antreffen, jemanden, den man um eine Fahrt nach Reykjavík bitten konnte, am besten direkt zum Flughafen Keflavík. Jensen empfand es nun als Vorteil, dass er in den Kleidern geschlafen und seinen Koffer noch gar nicht ausgepackt hatte. Dadurch würde die Abreise sich beschleunigen.
Im Wohnzimmer wäre er in der Hast beinahe in das Bodenloch getreten. Die Tür zur Küche war zu. Jensen öffnete sie und erkannte die Situation sofort.
Es gab keinen Besucher.
»Machen Sie die Tür zu!«, rief De Reuse. Er hatte einen schwarzen, bis auf die Knochen abgemagerten Hund in die Enge getrieben, in eine Ecke, aus der heraus der Hund die Mündung der Schrotflinte anbellte, mit der De Reuse ihn bedrängte. Der Hund zitterte am ganzen Leib, Speichelflocken spritzten aus seinem Maul. Eiskalte Luft wehte durch das offene Küchenfenster herein, einige Gläser lagen umgestürzt neben dem Spültrog, der Inhalt einer Suppendose tropfte auf den Boden. Jensen fand keine Worte, er war maßlos enttäuscht darüber, dass es nur ein Streuner war, ein abgezehrter Mischling, halb erfroren. Das Licht, die Wärme, die Hoffnung auf ein Stück Futter hatten ihn angelockt. Er war durch das defekte Küchenfenster eingedrungen, wie vor ihm wahrscheinlich schon die anderen Tiere, die Mäuse, Ratten, was immer hier gestorben war und stank.
»Wir haben auf Sie gewartet, Jensen.« De Reuse trug einen weißen Morgenmantel, auf dessen
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