Der Atem der Apokalypse (German Edition)
nicht kommt? Heißt das, wir werden überleben? Oder bringt Pretorius das Unheil über uns?«
Mr Dublin wartete, bis DeVore Luft holen musste. »Wovon reden Sie überhaupt?
Welche
Spiegelungen?«
»Mr Dublin?« Die Panik wich einer kurzen Verunsicherung. »Ich dachte, ich hätte Mr Bright angerufen.«
»Haben Sie auch – das ist sein Handy. Die Apokalypse?«, fragte Mr Dublin.
»Hat Mr Bright Ihnen nichts davon erzählt? Hat er nicht gesagt, dass
er
kommt – dass sie das Ende der Welt spiegeln? Es ist so schrecklich …«
»Schicken Sie mir den Datenfluss«, sagte Mr Dublin. »Das möchte ich mir selbst ansehen.« Er war froh, dass er trotz seines trockenen Mundes und der Magenkrämpfe mit ruhiger Stimme sprechen konnte. »Ich rufe Sie zurück.«
Er beendete das Gespräch, weil er keine von DeVores Fragen beantworten wollte. Was war hier los? Was hatte er verpasst? Was hatte Mr Bright ihnen verheimlicht?
Er klappte den Laptop auf und wartete auf die Datei. Nachdem er sie sich angesehen hatte, war alles außer dem Entsetzen über das Ausmaß der Zerstörung in diesen stummen Bildern vergessen.
Er
kam über sie, das war nicht zu leugnen.
Die graue Kälte des Morgens hatte sich nicht verzogen, und als Cass sich geschickt durch den Spätnachmittagsverkehr schlängelte, brachte nicht einmal der stetige Strom der Scheinwerfer Licht in die Düsternis.
Sie saßen lange schweigend im Auto, während Cass versuchte, Mr Brights Informationen zu verarbeiten, und sich gleichzeitig schreckliche Sorgen um Pater Michael und Luke machte, ja sogar um die beiden Schläger. Die Steves waren ihm ans Herz gewachsen – sie waren auf ihre Art ehrlich und anständig. Bei ihnen wusste man immer, woran man war, und das passierte in Cass’ Leben viel zu selten.
Er warf einen Seitenblick auf Mr Bright, der auch nichts mehr gesagt hatte, seit sie losgefahren waren. Er hatte seine Fassung wiedererlangt und seine Kleidung in Ordnung gebracht, doch Cass fragte sich, ob auch Mr Bright Ruhe brauchte, um sich zu sammeln. Was hatten sie ihm angetan? Er sah erschöpft aus, so gar nicht wie der alte Machiavellist, an den er sich gewöhnt hatte und der dem Spiel immer einen Schritt voraus war. Der Mr Bright, der Cass im vergangenen Jahr so übel mitgespielt hatte, war stets Herr der Lage gewesen. Damit war es vorbei; jetzt sah er so aus, als würde er an einem Wettrennen teilnehmen, bei dem man schlau sein musste, um zu überleben. Cass blickte geradeaus auf die Straße, als er zu ihrer Ausfahrt abbog. Das Glück hatte Mr Bright verlassen – sollte er sich nicht freuen? Stattdessen verstörte es ihn geradezu.
»Warum ist meine Familie so wichtig?«, fragte Cass. »Wenn Sie nur ein Kind brauchten, hätten Sie mich doch nicht die ganzen Jahre über beobachten müssen. Wieso haben Sie sich noch die Mühe gemacht, als Sie den Jungen längst hatten?«
Mr Bright war so in Gedanken versunken, dass er beinahe überrascht wirkte, in diesem Auto zu sitzen, als er sich zu Cass umdrehte. Er atmete tief aus. »Ich überlasse die Dinge nur ungern dem Zufall«, sagte er ruhig. »Wenn mit dem Jungen etwas schiefgegangen wäre, hätten wir einen neuen gebraucht, dich oder deinen Bruder genau genommen. Ich musste wissen, wo du bist – damit ich dich schützen konnte.«
Das klang logisch, hörte sich trotzdem falsch an. »Und als ich verdeckt ermittelt habe, hatten Sie mich da auch im Blick?«
»Selbstverständlich«, sagte Mr Bright.
»Warum haben Sie mich dann nicht davon abgehalten, den Jungen zu erschießen?« Der Satz hörte sich in seinem Mund seltsam an. Er sprach nie darüber; wenn überhaupt lavierte er darum herum, wie er auch mit seiner Frau Kate um alles herumgeredet hatte.
»Du warst nicht unmittelbar in Gefahr.«
»Verdammt noch mal, woher wollen Sie das wissen?«
Ein schmales Lächeln spielte um Mr Brights Mund. Der alte Mr Bright erholte sich schnell. »Weil ein anderer in dem Raum in jener Nacht Freeman erschossen hätte, bevor er dich hätte töten können.« Seine Augen funkelten. »Ich habe es dir doch gesagt, Cassius Jones, ich hatte dich immer im Blick.«
Cass’ Gedanken drehten sich von Neuem im Kreis und die Scheinwerfer der entgegenkommenden Autos verwandelten sich in das Weiße in den Augen des Jungen, der in Todesangst auf den Lauf der Pistole starrte. Ihm war übel. Der Junge könnte noch leben – Brian Freeman wäre tot, doch Cass hätte nicht so viele Jahre mit der Schuld leben müssen. Wie sehr hätte das sein
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