Der Atem der Apokalypse (German Edition)
der Mann plante, er würde es als Erster erfahren.
13
Als er zu sich kam, musste Cass sofort brechen, was in dem engen Kofferraum kein Vergnügen war. Ihm war immer noch schwindelig und bei jedem Schlagloch rumorte sein Magen. Nach zehn Minuten in der Gestanksmischung aus Erbrochenem, Benzin und billigen Teppichbodenfasern glaubte er, sich gleich noch mal übergeben zu müssen. Er schob sich in der Enge möglichst weit nach hinten und hob den Kopf, um auch noch den leisesten Hauch frischer Luft aufzufangen, der durch die Ritzen strömte.
Er klopfte und schrie nicht, das hatte ohnehin keinen Zweck. Es würde seine Entführer nur darauf aufmerksam machen, dass er wach und wütend war, und wenn sie überhaupt anhielten, dann nur, um ihm noch eins überzuziehen – und darauf konnte er verzichten. Stattdessen versuchte er, den brennenden Schmerz in der Schulter zu ignorieren, und überlegte fieberhaft, wer dahinterstecken könnte. Die Polizei schloss er aus: Sie würde seine Verhaftung lauthals ausposaunen und die Sache wäre mit deutlich mehr Tamtam abgegangen. Man hätte ein ganzes Team bewaffneter Polizisten aufgeboten und alles aufgezeichnet, um es direkt ins Fernsehen zu bringen. Außerdem hätten sie den Fälscher ebenfalls festgenommen.
Der Fälscher. Dieser blasierte Scheißkerl. Wer sollte sonst hinter dieser Falle stecken? Es passte alles zu genau. Als das Auto über das nächste Schlagloch rumpelte, klapperten seine Zähne und sein Magen machte einen Satz. Cass schluckte heftig. In wessen Interesse hatte man ihn in diese Falle gelockt? Im Metier des Fälschers kam man nicht weit, wenn man sich mit jemandem wie Artie Mullins anlegte. Man hätte keine Kniescheiben mehr, geschweige denn Arbeit.
Und was war mit Fletcher? Er wüsste sicher gern, was aus Cass geworden war, nachdem Hayley Porter gestorben war, während sie ihm zur Flucht verhalf. Cass hatte keine Ahnung, wie die ATD arbeitete, aber es war nicht ihr Stil, oder? Er hätte erwartet, dass sie ihn auf die Rückbank eines Zivilfahrzeugs werfen würden, nicht in einen Kofferraum.
Vielleicht hatten sich auch die korrupten Bullen, die er unvermeidlicherweise verraten hatte, zusammengetan, um ihn irgendwo in einem Graben verrecken zu lassen. Sie hatten mit Sicherheit genug Verbindungen im Gangstermilieu. Das war keine schöne Vorstellung.
Die letzte Möglichkeit, die absolut ambivalente Gefühle bei ihm auslöste, war, dass die Entführung Mr Brights Werk war. Cass hatte das Gefühl, dass dieser Mann keinen typischen Modus Operandi hatte; er ging flexibel vor, je nachdem, welche Methode der jeweiligen Situation gerade angemessen war. Nachdem er die Fotos bei Dr. Cornell gesehen hatte, wusste er zumindest, dass Mr Bright lange genug auf der Welt war, um sie alle ausprobiert zu haben. Eins war allemal klar: Keines dieser Gedankenspiele würde gut ausgehen. Schließlich war er nicht gerade der beliebteste Mann in London.
Als sie ihn endlich aus dem Auto zerrten, sah er nur wirbelnde fleischige Arme, bevor ihm jemand den Mund zuklebte und einen Sack über den Kopf zog, sodass es schon wieder vollkommen dunkel war, ehe seine Augen sich an das helle Licht gewöhnen konnten. Barsche Stimmen fluchten wegen des Erbrochenen, dann schleppten sie ihn weg. Er dachte keine Sekunde darüber nach, ob sich ein Fluchtversuch lohnte. Von der Fahrt im Kofferraum tat ihm alles weh, vor allem seine Schulter brannte fürchterlich. Auch wenn er immer noch nicht wusste, was los war, blieb ihm nichts anderes übrig als es auszuhalten.
In den Stunden danach überlegte er, ob er es nicht doch hätte versuchen sollen. Seine Situation hatte sich weiter verschlechtert. Sie hatten ihn irgendwohin geschleppt, wo sie ihn an einen Stuhl gebunden hatten. Dann hatte ihm jemand einen Eimer eiskaltes Wasser über den Kopf gegossen und als er sich von dem Schock erholt hatte, hatten sich die Stimmen entfernt. Er war allein, doch wie lange, wusste er nicht, denn in der Dunkelheit hatte er sein Zeitgefühl verloren. Außerdem hatte er am ganzen Körper Schmerzen, weil er fürchterlich fror. Er war sich relativ sicher, dass sie ihn in ein Lager oder eine Garage gebracht hatten. Die Schritte der Männer hatten gehallt und der Boden hatte sich durch seine Schuhsohlen rau angefühlt, als sie ihn hierher geschleppt hatten. Und auch bevor sie ihn mit Wasser übergossen hatten, war die Luft nicht geheizt gewesen.
Cass’ Finger und Zehen wurden taub und er döste an der Grenze zum Schlaf, als die
Weitere Kostenlose Bücher