Der Atem der Apokalypse (German Edition)
war erstaunlich ehrlich. »Und ja, witzig ist es auch. Die Ironie des Ganzen.«
»Das ist das Wort eures
Gottes
?«
»Oh, steht das da?« Mr Craven lächelte spröde, als er die Zeitung musterte. »Sie haben sich die Zeit genommen, es zu lesen. Ich fühle mich geschmeichelt.«
»Das ist nicht lustig, Mr Craven.«
»Nein, sicherlich nicht. Ich sterbe.
Sie
sterben alle, das haben sie immer schon getan. Wenn das nicht das grausame Wort ihres Gottes ist, was dann?«
»Es ist schon genug aus dem Gleichgewicht geraten – die Sache mit dem Ersten, die Gesandte, das Problem mit den Gängen. Verstehen Sie denn nicht, dass wir all unsere verunsicherten Gefühle an die Welt weitergeben? Wir dürfen es nicht noch schlimmer machen. Ruhe und Ordnung – dafür müssen wir sorgen.«
»Das, was ich tue, hat darauf keine Auswirkungen. Ein bisschen Angst kann ihnen nicht schaden.«
»Angst bringt selten das Beste in den Leuten hervor.« Mr Dublin beugte sich vor und legte die Hände auf den Tisch. »Bei Ihnen schon gar nicht. Allerdings habe ich mich immer schon gefragt, ob Ihr Bestes gut genug ist.«
»Erzählen Sie mir nichts von Angst, Mr Dublin. Und mir hat es noch nie gefallen, dass Sie immer auf dem hohen Ross sitzen. Schon in den alten Zeiten ging es Ihnen immer um das Allgemeinwohl. Ich darf Sie daran erinnern, dass es nicht darum ging, sondern um Macht und Freiheit.«
»Für Sie vielleicht.« Mr Dublin ließ ein leises angewidertes Schnauben hören. »Wir haben immer ein Auge zugedrückt, wenn es um ihre brutalen Hobbys ging. Wir haben alle unsere Schwächen. Aber das geht zu weit. Sie haben die Grenze überschritten. Ich werde Sie nicht bestrafen – Sie liegen im Sterben – und Ihrem Aussehen und dem Gestank nach wird es recht schnell gehen. Doch ich entlasse Sie aus dem Inneren Zirkel.«
»Was?« Bellendes Gelächter brach aus ihm heraus. »
Sie
werden mich nicht bestrafen? Für wen halten Sie sich auf einmal? Für den großartigen Mr Bright? Weiß er überhaupt hiervon?«
»Selbstverständlich.« Mr Dublin lächelte. »Mr Bright ist anderweitig beschäftigt und hat mich gebeten, das zu übernehmen. Man kann mir einiges vorwerfen, Mr Craven, aber ein Narr bin ich nicht.«
»Aber er, wenn er nicht sieht, welche Veränderungen auf uns zukommen.« Sein Blut kochte, so wütend war er. Wie konnten sie es
wagen
, ihn derart zu beschneiden? Wie konnte Mr Bright es
wagen
, ihn einfach zu entlassen?
»Es betrifft Sie nicht mehr, was sich verändern wird oder auch nicht. Sie sind zu einer Belastung geworden. Ich kann Sie nicht daran hindern, sie anzustecken, jedenfalls nicht, ohne gegen meinen eigenen Wertekanon zu verstoßen. Gehen Sie und leben Sie sich in der kurzen Zeit aus, die Ihnen noch bleibt. Sie müssen mir nur noch alles zurückgeben, was Eigentum des Inneren Zirkels ist.« Mr Dublin zeigte mit dem Kopf auf Mr Cravens Hals. »Angefangen damit.«
Als Mr Craven sein Hemd aufknöpfte, war sein Lächeln echt. Er trug nichts um den Hals. »Das muss ich vergessen haben.« Er war auch kein Narr. »Vermutlich werden Sie meine Konten einfrieren. Ich weiß noch, wie bei Mr Solomon vorgegangen wurde. Sobald ich eine vertretbare letzte Summe abgehoben habe, werde ich dafür sorgen, dass der Rest an Sie geht.«
»Tun Sie das.«
»Machen Sie sich keine Sorgen, Mr Dublin.« Mr Craven schluckte seinen Zorn herunter und verbarg ihn in seinem tiefen Inneren. »Ich bin immer noch einer von uns. Ich war uns stets treu ergeben.«
»Es tut mir leid, dass es so weit kommen musste.«
Das stimmte wahrscheinlich sogar, dachte Mr Craven, und genau deshalb war er doch ein Narr. Ohne das Sterben würde Mr Craven
Mr Dublin
aus dem Inneren Zirkel jagen und ihn und Mr Bright zum Experiment anschnallen. Mr Dublin war gerade noch mal davongekommen.
»Mir auch, Mr Dublin, mir auch.«
Als er wieder auf der Straße stand, losgelöst von allem, was er jemals gekannt hatte, war Mr Cravens Wut verraucht. Mr Dublin hatte keine Chance gegen Mr Bright und keiner von beiden hätte eine Chance gegen ihn selbst gehabt, wenn er gesund geblieben wäre. Hielten sie ihn wirklich für so dumm? Er hatte gewusst, dass es so kommen würde. Die Sorge um
sie
und um das, was
sie
dachten, war doch lächerlich. Das Netzwerk hätte sich nie verstecken sollen; sie hätten als die Götter, die sie waren, herrschen sollen. Er lächelte verbittert und dachte an das kleine Gerät, das er unter diesem Zen-Tischchen bei Mr Dublin befestigt hatte. Was auch immer
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