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Der Atem der Welt

Der Atem der Welt

Titel: Der Atem der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Birch
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Geiste hörte ich immer noch Santy Anno und dachte, ich sollte mir auch ein Akkordeon besorgen und spielen lernen. Es war mehr als ein müßiger Gedanke, eher so etwas wie ein Impuls, und fast wäre ich direkt nach Hause gelaufen, hätte Geld geholt und mir in der Rosemary Lane ein altes Akkordeon gekauft. Doch ich fand es so schön, einem großen Klipper zuzusehen, der wie ein Schwan flussaufwärts segelte, dass ich mich nicht von der Stelle rührte. Ich konnte erkennen, wie die Matrosen an Deck und in der Takelage ihren Pflichten nachgingen, und mir war, als spürte ich die Decksplanken unter meinen eigenen Füßen. Darauf explodierte vor meinen Augen erst, hell und erstaunlich, ein blutender Sonnenuntergang, schöner, als das Herz ertrug; danach plötzlich ein rosafarbener Herzmuskel, der in einem Eimer pochte, während das Boot heftig schlingerte; und schließlich Tim, so wie er immer war, mein närrischer Freund. Er war manchmal nur grauenhaft zu mir, aber ich glaube, er liebte mich. Ich war wie in Trance, ließ mich nach Hause treiben. Ich weiß nicht, wohin der Tag entschwand. Dass es in unserem Hof schon so spät war, überraschte mich. Mamas Muschelschalen lagen sauber auf dem Fensterbrett, und David stand in voller Größe im Fenster und lächelte mir mit seinem Rotzgesichtchen zu. Es war ein bezauberndes Lächeln und weckte in mir wieder jene überwältigende Liebe,
die ich auf dem Boot empfunden hatte, als ich glaubte, ich käme nie mehr zurück. Sie wallte in mir auf. Machte mir Angst. Ach, mein London. Alles dahin. Ich bin noch da. Ich ging ins Haus und direkt nach oben, legte mich in Kleidern ins Bett, zog mir die Decke über den Kopf und lag im Dunkeln wach. Mein Herz klopfte laut und ängstlich in meinem Ohr, das ich ins Kissen gedrückt hatte. So lange ich lebe, werde ich nicht weise sein. Werde niemals verstehen, warum es so geschah, wie es geschah, niemals verstehen, wohin sie gegangen sind, all jene Gesichter, die ich so deutlich in der Dunkelheit sehe. Es gibt keine dritte Möglichkeit, sondern schlicht und einfach nur: Leben oder Sterben. Jeder Augenblick eine Blase, die platzt. Geh weiter, einen Schritt und noch einen, immer weiter, auf einem Regenbogen aus Trittsteinen, jeder platzt leise, wenn dein Fuß ihn berührt und weiterläuft. Bis ein Schritt nur auf leere Luft trifft. Bis dieser Schritt erfolgt, leb!
    Etwas bewegte sich in meinem Zimmer, eine kleine schleichende Maus. Ich öffnete die Augen und lugte unter der Decke hervor. Es war Mama mit einer Kerze, halb in und halb vor der Tür. »Kommst du runter für einen Happen, Jaff?«, fragte sie.
    Ich wollte eigentlich ablehnen, sagte aber: »Ist es schon fertig?«
    »So gut wie.«
    Sie stellte die Kerze ab und ging wieder, ließ aber die Tür offen. Ich richtete mich auf, setzte die Füße auf den Boden und gähnte, bis mir die Tränen in die Augen traten. Mir war kalt. Ich ging hinunter zum Feuer und zum Essen.
    »Leckerer Hering«, sagte Charley Grant, als ich mich setzte. »Hier.« Er schob mir das Brett mit dem Brot hin.
    Der Hering war mit Hafer paniert und braun gebraten.
    »Wir haben uns überlegt«, sagte Mama, »dass du demnächst mal morgens mit Charl auf den Markt gehst. Wenn du sonst
nichts zu tun hast, könntest du dich genauso gut da einarbeiten.«
    »Gut«, sagte ich, aber, oh mein Gott, die Nacht dann, als ich wach lag und dachte: Muss unbedingt was machen, sonst endet es damit, dass ich für den Rest meiner Tage bei Mama und Charley wohne und am Fischstand sterbe. Was stand zur Auswahl? Fische. Schankkellner. Ich wäre eine ziemliche Attraktion. Der kannibalische Kellner. Bei Jamrach arbeiten. Wieder zur See fahren.
    Wahrscheinlich wieder zur See fahren.
    Am nächsten Tag ging ich Dan Rymer besuchen. Es musste ihm, auf die eine oder andere Weise, recht gut gegangen sein über die Jahre. Er besaß ein großes Haus in einer schönen Häuserzeile in einem hübschen Teil von Bow. Vorne vorm Haus gab es ein schwarzes Gitter, und unten vor der Treppe saß, völlig in sich ruhend, eine fette schwarzweiße Katze. Ein etwa vierzehnjähriges Mädchen, schmuddelig und in Schürze, öffnete mir die Tür. »Du bist Jaffy Brown«, sagte sie.
    »Woher weißt du das?«
    »Ich hätte dich überall erkannt«, sagte sie, »er redet doch dauernd von dir. Lockiges Haar, dunkle Haut. Klar bist du das.«
    »Redet dauernd von mir?«
    »Und ob! Bester Mann, mit dem er je gesegelt ist! Los, komm rein.«
    Ich trat in eine Diele, die rundum mit

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