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Der Atem der Welt

Der Atem der Welt

Titel: Der Atem der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Birch
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es ja mein Bruder Barnaby«, sagte Skip.
    Tim faltete die Arme hinter dem Kopf und lehnte sich zurück. »Schon eher als dieses Pharao-Ding, wenn ihr mich fragt«, sagte er. »Klingt irgendwie wahrscheinlicher.«
    »Aber wie kommt Horus darauf, dir zu folgen?«, fragte Gabriel.
    Skip sagte, das wundere ihn nicht. Er sei schon früher von Göttern besucht worden.
    »Ach so«, meinte Gabriel trocken, und viel mehr wurde nicht gesagt. Danach beobachteten wir Skip allerdings mehr denn je, und zwar wir allesamt. Die weitere Fahrt verlief ruhig. Wir segelten durch ein sattgrünes Meer, in dem schließlich erneut Inseln auftauchten. Lange weiße Gestade. Palmen, die wie anmutige Frauen nickten. Gestalten wie Riesen, die im Dunst auftauchten. Hohe Berge entstiegen dem Meer. Rosafarbene und salbeigrüne Klippen. Die Inseln rochen nach Erde und Gewürzen, und das Meer war klar. Unten im Wasser konnten wir leuchtende Fische schwimmen sehen, Wedel fremdartiger Pflanzen bewegten sich wie zu langsamer Musik, langgestreckte Riffe aus fantastischen Formen und Farben stießen gegen die Decke ihres Himmels, der die Oberfläche unseres Meeres war.
    Wir ankerten irgendwo in einem Hafen, und der weiße Mann jener Inseln kam hinunter zum Wasser und sprach mit Kapitän Proctor und Mr Rainey. Mr Comeragh war erkältet und nicht mit an Land gegangen. Hundert dunkle Sklavengesichter beobachteten uns vom Waldrand oberhalb des Strands. Als Kapitän Proctor zurückkam, sagte er, auf der Insel grassiere eine Krankheit und wir würden nicht an Land gehen. Abel Roper, Martin Hannah und Joe Harper zogen los, um frisches Wasser und Kokosnüsse zu besorgen, und dann segelten wir weiter.
    Ein Tag verging und noch einer und noch einer. Dieses Meer schaffte es, dass ich mich immer mehr in mich selbst zurückzog, so wenig Sprache schienen wir damals alle zu haben. Inseln
tauchten auf, Inseln verschwanden, Sonnen gingen auf und unter, der Ozean rollte dahin, und mich überkam ein Gefühl von Unermesslichkeit, eher unangenehm, eine Ahnung von etwas tief da unten, von etwas mir Unbegreiflichem.
    Am Horizont erschien ein langgestreckter Schatten, in sehr weiter Ferne. Eine tief hängende Wolke, sanft grau. Grau wie Tauben und Damenhandschuhe und Gänsebrüste.
    »Land«, sagte Gabriel und beugte sich weit am Steuerruder vorbei.
    Es rollte heran wie eine weiche Walze aus Flusen, Katzenpelz. Wolkenwand.
    Land.
    Viel Land. Meilen und Meilen und Meilen Land, in die eine Richtung und in die andere, endlose Meilen grünen Dschungels und ein Gewimmel von Inseln.
    Proctor rief uns einmal mehr auf dem Achterdeck zusammen und erklärte, in diesem Meer gebe es malaiische Piraten mit Speeren, Mörder, Wilde. »Jetzt«, sagte er mit der sonoren Kapitänsstimme, die solchen Gelegenheiten vorbehalten war, »sind wir wahrhaftig fern von zu Hause. Dies ist ein gefährliches Meer.«
    »Ich hab Angst«, flüsterte Tim mir ins Ohr.
    Proctor sagte, die übliche Route würde uns von hier direkt durchs südchinesische Meer führen. Gutes Walmeer, das südchinesische Meer. Gut für Walfang, gutes Segeln, die ganze Strecke bis in die japanischen Gewässer. »Nun haben wir aber«, fuhr er fort, »wie ich jedem erklärte, der hier angeheuert hat, unserem Schiffseigner, Mr Malachi Fledge aus Bristol, gegenüber auch eine bestimmte Verpflichtung zu erfüllen.«
    Ich war verblüfft. Ich hatte Fledge noch nie anders als Fledge nennen hören.
    »Mr Rymer. Würden Sie ein Wort dazu sagen?«
    Dan schlurfte nach vorn. »Ihr wisst alle«, sagte er mürrisch,
»dass ich den Auftrag habe, ein Tier zu finden und lebendig zu fangen, das vielleicht, vielleicht aber auch nicht auf einigen Inseln östlich von hier lebt. So weit wisst ihr alle Bescheid.« Er machte eine Pause. »Ich habe noch nie einen getroffen, der diese Kreatur gesehen hat, aber in Surabaya bin ich einem Mann begegnet, der mir erzählte, dass er mit einem Mann aus dem Walfängerdorf Lamalera gesprochen hat, der einmal ein Wesen aus einem Wald auf einer Insel vor Borneo hat kommen sehen.«
    Durch und durch Schauspieler, blickte Dan zu Boden und fummelte an seiner Pfeife herum.
    »Und es gab Überreste«, sagte er leise. »Zwei Fischer. Von irgendetwas getötet und gefressen.« Er blickte hoch. »Jedenfalls hat Mr Fledge auch davon gehört.«
    »Diese Überreste«, sagte Mr Comeragh mit belegter Stimme, »wo hat man die gefunden?« Seine Nase war so groß, dass man nicht umhinkonnte, sich vorzustellen, dass in so einem Zinken doppelt

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