Der Atem der Welt
Körper gerade so eben in einer einzigen endlosen Schlaufe drehen konnte. Und das tat er auch. Skip sagte, es sei schrecklich gewesen. Irgendetwas in dem Glas habe den Fisch vergrößert, so wie das Brillenglas das Auge seiner Großmutter vergrößerte, und wenn man ihr grässliches enges Zimmer betrat, sei der kreisende Fisch wie ein glänzendes Auge gewesen, daneben ihr Auge, und das war, als würde die Großmutter ihn mit diesen beiden Augen beobachten.
Am nächsten Tag wurde Skip wieder komisch. Wir hatten einen Wal gefangen und steckten schon mitten in der Verarbeitung – die Trankessel qualmten, und der Feuerschein machte uns zu Dämonen und hüpfte und tanzte auf dem Blut, das von den Walspeckstreifen auf Deck tropfte. Skip war mit mir an der Winde, und plötzlich ließ er los, so dass sie ruckte und vibrierte und ich nach hinten flog. Er ließ einfach los und ging weg, als hätte ihn jemand gerufen.
»Was zum Teufel machen Sie da, Mr Skipton!«, brüllte Rainey.
Skip schien nicht zu hören.
Rainey marschierte los, als würde er tief Atem holen, warf
den Kopf in den Nacken und lief hinter Skip her, die Nasenflügel wie Segel gebläht. Martin Hannah sprang neben mich und nahm Skips Posten ein, und wir schoben wie verrückt, hatten dabei aber die Köpfe gereckt, um alles zu beobachten. Skip stieg die Treppe zum Achterdeck hoch, mit festem Schritt und den Blick stur nach vorne gerichtet, die letzten Meter rannte er beinah. Dann blieb er regungslos stehen und blickte einen Moment in den Abendhimmel, ehe er sich anmutig auf dem Boden niederließ, die Knie anzog, sich mit den Armen umschlang, den Kopf darin barg und leicht mit den Schultern ruckelte, als würde er sich vergnügt in einem gemütlichen Bett zurechtkuscheln.
Rainey stand über ihm und trat ihn immer wieder, erregt und wütend. »Steh auf! Steh auf, du Miststück!«, schrie er. »Dir fehlt doch überhaupt nichts. Wie kannst du es da wagen, deinen Posten zu verlassen!«
Gabriel kam mit Abel angerannt. Proctor erschien ebenfalls.
Skip rollte sich auf den Rücken. Etwas an ihm beunruhigte sie.
»Um Himmels willen«, sagte Kapitän Proctor, »lasst ihn.«
»Ihm fehlt doch gar nichts«, brüllte Rainey, »der will sich nur vor der Arbeit drücken.«
»Ich glaube nicht, dass er nur simuliert, Sir«, sagte Abel. »Felix, lauf und hol das Riechsalz von Wilson.«
Als man ihm das Salz unter die Nase gestreut hatte, nieste Skip sehr heftig und setzte sich auf, nur um sofort wieder nach hinten zu sinken.
»Was ist los mit ihm?«, fragte Proctor.
»Er hat nur einen komischen Anfall«, erwiderte Abel.
»Haha!«, bellte Mr Rainey. »Haha!«
»Legt ihn unten hin«, befahl der Kapitän. »Soll er sich wegschlafen, was immer es ist. Hat ja keinen Sinn, ihn in dieser Verfassung auf Deck herumwanken zu lassen. Was steht ihr hier alle noch rum? Seid wohl Ärzte, was? Los, an die Arbeit!«
Als sie Skip wegschleppten – den einen Arm hatte er um Abels, den anderen um Gabriels Schultern gelegt –, blickten seine Augen in zwei Richtungen. Er fing an zu lachen. »Bringt mich auf die Fähre!«, schrie er. »Bringt mich auf die Fähre!« Dann erbrach er sich.
Nach ein, zwei Stunden war er wieder in Ordnung.
Es sei nichts gewesen, darauf beharrte er. Er sei halt nur ohnmächtig geworden. Das stimmte natürlich nicht. Als wir später am Abend mit noch ein paar anderen im Logis lagen, rückte er mit der Wahrheit heraus. »Irgendwas verfolgte das Schiff«, sagte er. »Ich bin hingegangen, um es mir anzusehen.«
Wir reckten die Köpfe, um besser zu hören.
»Ein Vogel«, schlug ich vor. »Eine Wolke. Ein Albatros oder ein Kormoran.«
Er sagte, es sei ein Auge mit Flügeln gewesen. Ein geflügeltes Auge am Himmel, das dem Schiff folgte. »So«, sagte er, holte Block und Bleistift hervor und zeichnete es für uns.
Einige Sekunden lang sagte niemand etwas, dann lachte Tim. »Welche Farbe hatte es?«, fragte er.
»Das weiß ich nicht«, erwiderte Skip ernst.
»Blau? Braun? Ein herrliches grünes Auge?«
»Horus«, sagte Gabriel nachdenklich.
»Hatte es ein Augenlid? Konnte es blinzeln? Hat es dir zugezwinkert?«
»Nichts dergleichen.«
»Horus«, wiederholte Gabriel. »Ich glaube, Horus ist ein Auge.«
»Was ist Horus?«, fragte Skip.
»Ein Gott.« Gabriel legte die Stirn in grüblerische Falten. »Ein Gott der Pharaonen.«
»Wieso weißt du über Pharaonen und Götter Bescheid?«, fragte ich.
»Ich bin herumgekommen«, erwiderte er.
»Vielleicht war
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