Der Atem des Jägers
Justizsystem – ist Polizist oder Staatsanwalt oder so. Aber wenn Sie sagen,
es gibt mehr als hundertfünfundsechzig … und die Opfer sind zu unterschiedlich, was Wohnort und Straftaten angeht. Ich habe
das Gefühl, er verläßt sich auf die Medien. Radio, Zeitungen. Vielleicht Fernsehen. Das Problem ist, ich |257| lese keine Zeitung und höre auch nicht viel Radio, aber ich möchte wissen, wann die Opfer in den Nachrichten waren. Ich möchte
die Daten der Berichte mit den Daten der Assegai-Morde vergleichen. Ist das klar ausgedrückt?«
»Ja. Ist es in Ordnung, wenn wir eine Tabelle auf dieser Tafel anlegen?« Sie zeigte zur Stirnseite des ehemaligen Lehrsaals.
»Das ist prima«, sagte er. »Danke.«
Griessel erhob sich. Jamie Keyter in der Ecke hinten beobachtete ihn erwartungsvoll. Cupido und Bezuidenhout saßen nebeneinander,
jeder an einem Tisch. Er zog einen Stuhl heran und setzte sich ihnen gegenüber.
»Das Assegai ist ein Problem«, sagte Cupido. Er lehnte sich zurück und holte hinter sich ein Paket hervor, lang und dünn.
Er rollte das braune Papier auf und ließ das Assegai auf den Schreibtisch fallen. Die Klinge schimmerte im Neonlicht.
»Wallah!« sagte er. Er sprach das »W« wie in »Willy«.
»Voilà«, korrigierte ihn Bezuidenhout mit falschem Akzent. »Das ist verflucht noch mal französisch. Es heißt: ›Sieh mich an.‹«
»Seit wann bist du denn der große Sprachexperte?«
»Ich helfe dir nur, dich nicht zum Narren zu machen.«
Griessel seufzte. »Das Assegai …«, sagte er.
»Geliehen von einem Kunsthandel,
Pearson’s African Art
. In Long Street. Sechshundert Rand, inklusive Mehrwertsteuer. Importiert von Zulu Dawn, einem Händler in Pinetown. Ich habe
mit Mr. Vijay Kumar gesprochen, dem Verkaufsleiter von Zulu Dawn. Er sagt, sie haben Mitarbeiter, die herumfahren und sie
aufkaufen, aber es gibt mindestens dreißig Leute in KwaZulu, die welche machen.«
»Das ist keine
Kunst
«, sagte Bezuidenhout.
»Bushy …«, sagte Griessel.
»Ich mein’ ja nur. Heute ist alles Kunst. Ich würde keine fünfzig Rand für das Ding bezahlen.«
»Du bist ja auch kein deutscher Tourist mit Euro, Opa«, sagte Cupido. »Tatsache ist jedenfalls, daß unser Verdächtiger |258| es an jeder Straßenecke gekauft haben könnte. Pearsons sagt, es gibt fünf oder sechs Läden allein in der Innenstadt, die sie
verkaufen. Und ein oder zwei an der Waterfront, zwei in Stellenbosch, einen im Süden der Stadt. Die Weißen aus Europa lieben
sie, ebenso wie die afrikanischen Masken. Und Straußeneier. Die verkaufen Straußeneier für zweihundert Rand das Stück. Und
sie sind leer …«
»Ich möchte, daß die Spurensicherung sich das Ding anschaut, Vaughn …«
»Die sind schon bei der Arbeit. Ich habe mir zwei geliehen; ich wollte, daß du auch eins zu sehen bekommst, Benny. Die Spurensicherung
wird es mit den chemischen Ergebnissen der drei Stichwunden vergleichen.«
»Danke, Vaughn. Gute Arbeit.«
»Wolltest du ja auch. Aber es sieht nicht so aus, als könnte ich noch nach Durbs fliegen.«
»Läßt du mich wissen, was die Spurensicherung sagt?«
»Natürlich. Morgen besuche ich alle Läden, die Assegais verkaufen. Vielleicht haben sie Verkaufsunterlagen, mit denen wir
arbeiten können. Kreditkartenzahlungen, Rechnungen, irgendwas. Mal sehen, was ich finde.«
»Ich möchte alle Namen in der Datenbank, bitte. Wir müssen sie abgleichen mit den Namen von Captain Louw.«
»Wird gemacht, Chef.«
Griessel wandte sich an Bezuidenhout. »Hast du irgend etwas, Bushy?«
Bezuidenhout zog einen Stapel Akten näher, und man konnte sehen, daß er sich das Wichtigste für zuletzt aufsparte. »Ich weiß
nicht.« Er nahm eine nach der anderen von dem Stapel. »Die Enver-Davids-Vergewaltigung«, sagte er. »Bislang der beste Ansatzpunkt.
Die Eltern des Babys leben in einer illegalen Siedlung an der Ecke Vanguard/Ridgeway. Die Leute dort nennen es Biko-City;
die Stadt nennt es gar nichts. Der Vater ist arbeitslos, einer dieser Männer, die morgens in der Durban Road stehen und die
Hand heben, wenn Bauleiter billige Arbeitskräfte brauchen. Die Mutter arbeitet in einer Papier-Recycling-Anlage |259| in Stikland. Sie kaufen alte Kartons und machen daraus Toilettenpapier. Dawn soft. Warum es einem dämmert, wenn es so soft
ist, weiß der Geier, aber ich bin ja auch bloß ein Polizist. Sie sagen jedenfalls, sie wären gemeinsam in ihrer Hütte in Biko-City
gewesen, als Davids ermordet
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