Der Atem des Jägers
dort ein Päckchen, das in Aluminiumfolie gewickelt war. Er schloß
die Tür auf und |262| stellte die Flaschen ab, bevor er das Päckchen hochnahm. Es klebte ein Zettel daran. Er löste das Klebeband.
Für den hart arbeitenden Polizisten. Guten Appetit. Von Charmaine – 106
.
Charmaine? Was wollte diese Frau? Er wickelte die Schachtel aus der Folie. Es war ein
Pyrex -
Teller mit Verschluß. Er hob den Deckel. Der Duft von Curry und Reis stieg ihm in die Nase. Mann, roch das gut. Der Hunger
überwältigte ihn. Er griff nach einem Löffel und setzte sich an den Küchentresen. Er langte zu und füllte seinen Mund. Mutton
Curry. Das Fleisch war zart, der Geschmack erfüllte seinen Körper. Charmaine, Charmaine, wer immer du bist, kochen kannst
du, das ist sicher. Er nahm noch einen Löffel, zupfte ein Lorbeerblatt mit dem Finger heraus, leckte es ab und legte es zur
Seite. Noch ein Mund voll. Wunderbar. Noch einer. Das Curry war scharf, ein leichter Schweißfilm bildete sich auf seinem Gesicht.
Der Löffel bekam einen Rhythmus. Teufel, war er hungrig. Er mußte sich einen Essensplan machen. Er mußte ein Sandwich mit
zur Arbeit nehmen.
Er schaute auf die Flasche
Klippies
, die neben ihm auf dem Tresen stand. Bald. Er würde sich mit vollem Bauch in seinem Sessel entspannen und seinen Drink nehmen,
wie es sein sollte: langsam und genüßlich.
Er aß wie eine Maschine, bis er den letzten Löffel Curry intus hatte, sorgsam kratzte er das letzte bißchen Fleisch und Sauce
aus dem Teller und schob es in seinen Mund.
Verdammt. Das war gut. Er stellte den Teller zur Seite.
Jetzt mußte er ihn zurück zu Charmaine in 106 bringen. Er sah im Geiste eine pummelige junge Frau vor sich, warum eigentlich?
Weil ihr Essen so gut war? Ein wenig einsam? Er stand auf und spülte den Teller ab, dann den Deckel und seinen Löffel. Er
trocknete sie ab, fand die Alufolie, faltete sie ordentlich und legte sie in den Teller. Er holte seine Schlüssel, zog die
Tür hinter sich zu und ging durch den Flur.
Sie wußte, daß er Polizist war. Der Hausmeister mußte es ihr gesagt haben. Er würde ihr erklären müssen, daß er verheiratet |263| war. Und dann würde er erklären müssen, warum er hier allein lebte … Er blieb stehen. Mußte er sich das wirklich alles antun?
Er konnte den Teller einfach vor die Tür stellen.
Nein. Er mußte sich bei ihr bedanken.
Vielleicht wäre sie nicht da, hoffte er. Oder schlief. Er klopfte so leise wie möglich, er glaubte, einen Fernseher drinnen
zu hören. Dann öffnete sich die Tür.
Sie war klein und alt. Über siebzig, schätzte er.
»Sie müssen der Polizist sein«, sagte sie und lächelte mit einem schneeweißen Gebiß. »Ich bin Charmaine Watson-Smith. Bitte
kommen Sie herein.« Ihr Akzent war sehr britisch, ihre Augen wirkten groß hinter den dicken Brillengläsern.
»Ich bin Benny Griessel«, sagte er, und sein Akzent klang zu sehr nach Afrikaans für seinen Geschmack.
»Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Benny«, sagte sie und nahm ihm den Teller ab. »Hat es Ihnen geschmeckt?«
»Ausgezeichnet.« Das Innere ihrer Wohnung sah genauso aus wie seine, bloß voll. Knallvoll mit Möbeln, großen Porträts an den
Wänden, jeder Menge Krimskrams in Glasschränkchen, auf Buchregalen und kleinen Couchtischchen: Porzellanfigürchen und Puppen
und gerahmte Fotos. Häkelunterlagen und Bücher. Ein riesiger Fernseher, auf dem irgendeine Serie lief.
»Bitte, setzen Sie sich doch, Benny«, sagte sie und schaltete den Fernseher stumm.
»Ich will Sie nicht stören. Ich wollte mich nur bedanken. Das war sehr nett von Ihnen.« Er setzte sich auf die Sesselkante.
Er wollte nicht lange bleiben. Seine Flasche wartete auf ihn. »Und das Curry war phantastisch.«
»Oh, das war mir ein Vergnügen. Wo Sie doch keine Frau haben …«
»Ich, schon, aber … wir sind …«, er suchte nach dem richtigen Wort, »… getrennt.«
»Das tut mir leid. Ich habe es vermutet, wo ich gestern Ihre Kinder gesehen habe …«
Ihr entging nicht viel. »Ja«, sagte er.
|264| Sie setzte sich ihm gegenüber. Sie schien es sich für ein längeres Gespräch gemütlich zu machen. Er wollte nicht …
»Was für ein Polizist sind Sie?«
»Ich arbeite bei der Abteilung Gewaltverbrechen. Detective Inspector.«
»Oh, das freut mich zu hören. Genau der richtige Mann für die Aufgabe.«
»Oh? Was für eine Aufgabe?«
Sie beugte sich vor und flüsterte theatralisch: »In unserem Haus lebt ein
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