Der Atem des Jägers
zeigte es mit dem Griff seines Gewehrs.
Im Flur des obersten Stockwerks stand Timothy Ngubane und stritt sich mit einem großen weißen Detective. Griessel erkannte
ihn an dem ausgeblichenen blauweißen Stoffhut, auf dem eine rote Disa-Orchidee abgebildet war, daneben stand:
WP Rugby
. Senior Superintendent Wilhelm »Boef« Beukes, ehemals Mitglied der Mordkommission und jetzt Spezialist für Organisiertes
Verbrechen.
»Warum nicht? Das Mädchen ist nicht dort drin.«
»Es könnten Beweise dort sein, Sup, ich kann nichts riskieren …« Er entdeckte Griessel. »Benny«, sagte er erleichtert.
»Hi, Tim. Boef, wie geht’s?«
»Scheiße, danke. Der Drogenfund des Jahrzehnts, und ich muß warten.«
»Das Kind zu finden hat Priorität, Sup«, sagte Ngubane.
»Sie ist nicht hier. Das wissen Sie schon.«
»Aber es könnte Beweise dort unten geben. Ich möchte ja nur, daß Sie warten.«
»Dann legen Sie endlich los«, sagte Beukes und marschierte davon.
Ngubane seufzte tief und lang. »Eine abartige Nacht«, sagte er zu Griessel. »Absolut abartig. Ich habe alle dort unten …«
»Wo unten?«
|276| »Da ist dieses Lager im Keller, in dem mehr Drogen liegen, als alle von uns jemals gesehen haben, und die gesamte SAPS ist
hier – die Gewerbeaufsicht und Organisiertes Verbrechen und die Drogenleute von der Spurensicherung. Sie alle haben ihre eigenen
Kameramänner und Fotografen, und ich kann sie nicht reinlassen, denn dort könnten Spuren sein, wo das Mädchen ist.«
»Und der Verdächtige?«
»Ist hier drin.« Ngubane zeigte auf die Tür hinter sich. »Und redet nicht.«
»Kann ich rein?«
Ngubane öffnete die Tür. Griessel schaute hinein. Es war kein großes Zimmer. Unordentlich. Ein Mann saß auf einer Kiste. Dichtes
schwarzes Haar, buschiger schwarzer Schnauzer, das weiße Hemd aufgeknöpft, die Brusttasche schien zerrissen zu sein. Eine
rote Schramme auf der Wange.
»
Sy naam is Carlos
«, begann Ngubane bewußt auf afrikaans, damit Sangrenegra sie nicht verstand, dann zog er ein kleines Notizbuch aus seiner
Hosentasche. »Carlos San … gre … ne … gra«, sagte er sorgsam und betonte alle Silben.
»Fick dich«, sagte Sangrenegra haßerfüllt.
»Hat jemand ihn geschlagen?« Auch Griessel sprach Afrikaans.
»Die Mutter des kleinen Mädchens. Er ist Kolumbianer. Sein Visum … ist leider abgelaufen.«
»Was ist passiert, Tim?«
»Komm rein. Ich will den Wichser nicht allein lassen.«
»Du fluchst sehr hübsch auf afrikaans.«
Ngubane ging vor Griessel ins Zimmer. »Ich habe von den Besten gelernt.« Er schloß die Tür hinter sich. Es sah aus, als sollte
es ein Arbeitszimmer werden. Regale an der Wand, dunkelschimmerndes Holz, leer. Kisten auf dem Boden.
»Was ist in den Kisten?« fragte Griessel.
»Guck nach«, sagte Ngubane und setzte sich auf den einzigen Stuhl, ein teures Büromöbel aus braunem Leder mit hoher Lehne.
|277| Griessel öffnete eine der Kisten. Darin lagen Bücher. Er nahm eines heraus.
A Tale of Two Cities
stand in Goldbuchstaben auf dem Buchrücken.
»Schlag’s auf.«
Er öffnete es. Es gab keine Seiten – nur eine Plastikschachtel, die an den Seiten wie Papier aussah.
»Kein großer Leser, was, Carlos?« sagte Griessel.
»Fick dich.«
»Eine Frau hat gegen acht in Caledon Square angerufen«, fuhr Ngubane auf afrikaans fort. »Sie weinte. Sie sagte, ihr Kind
sei entführt worden, und sie wüßte, von wem. Sie schickten eine Besatzung in die Wohnung in der Belle Ombre Street und fanden
die Frau. Sie war verstört und blutete aus einer Kopfwunde und sagte, ein Mann habe sie angegriffen und ihr Kind entführt.
Sie war unbe… unbe…« Er suchte nach dem Wort auf afrikaans.
»Bewußtlos.«
Ngubane nickte. »Sie nannte den Namen und die Adresse des Mannes und sagte, er hätte sie auch vergewaltigt. Sie sagte, sie
kennt ihn, er würde Kinder mögen … verstehst du? Und dann hat sie uns gesagt, daß er Drogendealer sei.«
Griessel nickte und schaute Sangrenegra an. Seine braunen Augen loderten. Er war drahtig, die Venen auf seinen Unterarmen
standen hervor, er trug eine Bluejeans und Turnschuhe. Seine Hände waren hinter seinem Rücken mit Handschellen gefesselt.
»Die uniformierten Polizisten riefen den Stationsleiter an, und der informierte uns. Ich hatte Dienst und sprach mit Joubert
und holte mir ein paar Männer. Dann tauchten wir alle hier auf, viele kamen mit Hubschrauber, die ganze Geschichte. Wir haben
hier fünf Männer
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