Der Atem des Jägers
stand erwartungsvoll da, ohne auch nur zu zwinkern.
Er zog einen weiteren Fünfziger heraus. Der Barkeeper rührte sich nicht. Noch einen. Eine Hand saugte das Geld ein.
»Gib mir eine Minute.«
»Das zweite Problem habe ich mit den zwölf Schritten. Ich kann sie auswendig, und ich verstehe auch, warum sie bei anderen
Leuten funktionieren. Schritt eins ist einfach, denn ich habe … ich weiß, daß mein Leben außer Kontrolle geraten ist, der
Alkohol hat alles unter Kontrolle. Schritt zwei sagt, daß uns eine Macht, größer als wir selbst, unsere geistige Gesundheit
wiedergeben kann. Schritt drei erklärt, daß wir nur unseren Willen und unser Leben der Sorge Gottes anvertrauen müssen.«
»Amen«, sagten ein paar von ihnen.
»Das Problem ist«, sagte er so entschuldigend, wie er konnte, »ich glaube nicht an Gott. Nicht in dieser Stadt.«
Selbst Vera wich seinem Blick aus. Einen Moment lang stand er noch in der Stille. Dann seufzte er. »Mehr habe ich nicht zu
sagen.«
Griessel setzte sich.
|69| Als Thobela mit seinem zweiten Bier fast fertig war, sah er den Boß durch den Saal auf sich zukommen, ein dicker Schwarzer
mit kahlrasiertem Schädel und Goldringen an allen Fingern. Hier und da blieb er an einem Tisch stehen, er mußte fast brüllen,
um sich mit den Gästen zu verständigen – von der Bar aus waren seine Worte nicht zu hören –, bis er Thobela erreichte. Kleine
Schweißtropfen standen auf seinem Gesicht, als hätte er Sport gemacht. Der Schmuck glitzerte, als er ihm die Rechte reichte.
»Kennen wir uns?«
Seine Stimme war bemerkenswert hoch und feminin, die Augen wirkten klein und aufmerksam. »Madison Madikiza, sie nennen mich
den Boß.«
»Tiny.« Er benutzte einen Spitznamen aus der Vergangenheit.
»Tiny? Dann bin ich Skinny«, sagte der Boß. Er besaß ein ansteckendes Lachen, bei dem er die Augen schloß und sein ganzer
Körper zitterte, dann stemmte er sich auf einen Barhocker. Ein großes Glas tauchte vor ihm auf, der Inhalt klar wie Wasser.
»Prost.« Er nahm einen großen Schluck und wischte sich den Mund mit dem Ärmel ab, er deutete mit dem Zeigefinger in Thobelas
Richtung. »Ich kenne dich.«
»Ah …« Sein Herzschlag beschleunigte, als er sich den Mann genauer ansah. Er wollte nicht überrascht werden. Wenn jemand ihn
erkannte, bedeutete das Schwierigkeiten. Es würde Zusammenhänge geben, eine Spur mit einem Anfang und einem Ende.
»Nein, nichts sagen, ich komme gleich drauf. Nur einen Augenblick.« Die kleinen Äuglein tanzten über ihn hinweg, eine Falte
bildete sich auf dem kahlen Schädel. »Tiny … Tiny … Warst du nicht …? Nein, das war jemand anders.«
»Ich glaube nicht …«
»Nein, warte, es fällt mir schon ein. Ich vergesse nie ein Gesicht … Aber sag mir, was machst du?«
»Dies und das«, sagte er vorsichtig.
|70| Der Mann schnipste mit den Fingern. »Orlando Arendse«, sagte der Boß. »Du warst der Geldeintreiber von Orlando.« Erleichterung.
»Das ist lange her.«
»Ich hab ein Gedächtnis wie ein Elefant, mein Freund. 98, 97, um den Dreh, ich habe noch für Shakes Senzeni gearbeitet, Gott
sei seiner Seele gnädig. Der verschob Autos in Gugs, ich war sein erster Mann. Orlando wollte sich zusammensetzen und die
Gebiete aufteilen, weißt du noch? Großes Treffen in Stikland, du hast neben Orlando gesessen. Hinterher hat Shakes gesagt,
das war clever, wir konnten nicht Xhosa untereinander sprechen. Scheiße, mein Freund, kleine Welt, ich habe gehört, Orlando
hat sich zur Ruhe gesetzt, die Nigerianer haben den Drogenhandel übernommen.«
»Ich habe Orlando zuletzt vor zwei oder drei Jahren gesehen.« Thobela konnte sich an das Treffen erinnern, nicht aber an den
Mann vor sich. Und da war noch etwas, die Erkenntnis der Alternativen – wenn er bei Orlando geblieben wäre, was wäre dann
aus ihm geworden?
»Und was tust du jetzt?«
Jetzt konnte er seine Deckung überzeugender aufrechterhalten. »Ich arbeite frei. Ich stelle Jobs zusammen …« Was hätte er
getan, als Orlando sich zurückzog? Einen Nachtclub eröffnet? Mit Sicherheit irgend etwas am Rande des Gesetzes. Wie nah an
der Wahrheit war die Geschichte, die er jetzt erzählte?
»Ein Vermittler?«
»Ein Vermittler.« Es gab eine Zeit, in der das möglich gewesen wäre, in der das wahr gewesen wäre. Aber die war vergangen.
Was lag vor ihm? Wohin war er unterwegs?
»Und du hast etwas für Johnny Khoza?«
»Vielleicht.«
Rufe drangen
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