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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Sie immer noch, daß ich über Sie urteilen werde?«
    Das war nur ein Teil der Wahrheit, aber sie nickte leicht.
    »Das kann ich Ihnen kaum übelnehmen, denn ich vermute, die Erfahrung hat Sie gelehrt, daß die Menschen so sind.«
    »Ja«, sagte sie.
    »Dann lassen Sie mich Ihnen erklären, daß die christliche Seelsorge unterscheidet zwischen der Person und der Handlung. Was
     wir tun, ist manchmal inakzeptabel für Gott, aber |76|
wir
sind niemals inakzeptabel für ihn. Und Er erwartet dasselbe von mir, wenn ich Seine Arbeit tun soll.«
    »Mein Vater dachte auch, daß er Gottes Arbeit tut.« Die Worte kamen als Reflex, voll alter Wut.
    Er zog eine Grimasse, als schmerzten sie ihn, als hätte sie kein Recht, diesen Vergleich zu ziehen.
    »Die Bibel ist zu vielen Zwecken benutzt worden. Die Angst auch.«
    »Warum erlaubt Gott das?« Sie wußte, daß die Frage auf der Lauer gelegen hatte, aber sie hatte sie nicht kommen sehen. »Sie
     dürfen nicht vergessen …«
    Ihre Hände schienen den Halt zu verlieren, sie schien aus dem Tritt gekommen zu sein. »Nein, sagen Sie es mir! Warum? Warum
     hat er die Bibel so geschrieben, daß jeder sie benutzen kann, wie er will?« Sie konnte ihre eigene Stimme hören, die Gefühle
     darin. »Wenn er uns so liebt? Was habe ich ihm getan? Warum hat er mir keinen einfachen Weg zugewiesen? Wie Ihnen und Ihrer
     Frau? Warum hat er mir Viljoen gegeben und ihm dann erlaubt, sich den Kopf wegzuschießen? Was war meine Sünde? Er gab mir
     meinen Vater – welche Chance hatte ich denn danach? Wenn er mich stärker haben wollte, warum hat er mich nicht stärker gemacht?
     Oder klüger? Ich war ein Kind. Woher sollte ich das denn wissen? Woher sollte ich denn wissen, daß auch Erwachsene im Arsch
     sein können?« Der Klang des Fluches war scharf und schneidend, und sie hörte ihn genau wie er und hielt inne. Wütend wischte
     sie sich mit dem Handrücken die Tränen von den Wangen.
    Als er reagierte, überraschte er sie wieder. »Sie haben Probleme«, sagte er fast unhörbar.
    Christine nickte. Und schniefte.
    Er öffnete eine Schublade, nahm eine Schachtel Papiertücher heraus und schob sie über den Tisch zu ihr hin. Etwas an dieser
     Geste enttäuschte sie. Vorbereitung – sie war nicht die erste.
    »Große Probleme«, sagte er.
    |77| Sie ignorierte die Papiertücher. »Ja.«
    Er legte eine große, sommersprossige Hand auf die Umzugskiste. »Und die haben hiermit zu tun?«
    »Ja«, sagte sie. »Sie haben damit zu tun.«
    »Und Sie haben Angst«, sagte er.
    Sie nickte.
     
    Er drückte dem Mann eine Hand auf den Mund und die Klinge des Assegai an den Hals und wartete darauf, daß er erwachte. Der
     Körper zuckte, und die Augen öffneten sich weit und wild. Er näherte seinen Kopf dem kleinen Ohr und flüsterte: »Wenn du still
     bist, gebe ich dir eine Chance.« Er spürte, wie Davids sich gegen den Druck stemmte. Er ritzte ihn mit der Spitze der Klinge
     am Hals, nur ein wenig, so daß er es fühlen konnte. »Lieg still.«
    Davids gehorchte, aber sein Mund bewegte sich unter der Hand.
    »Still«, flüsterte Thobela wieder, den Gestank des Alkohols in der Nase. Er fragte sich, wie betrunken Davids noch war, aber
     er konnte nicht mehr länger warten – es war fast vier Uhr.
    »Wir gehen raus, du und ich. Verstanden?«
    Der Kahlkopf nickte.
    »Wenn du ein Geräusch machst, bevor wir draußen sind, bringe ich dich um.«
    Nicken.
    »Komm.« Er erlaubte ihm, sich zu erheben, trat mit dem Assegai unter Davids Kinn hinter ihn, den Arm um seinen Hals geschlungen.
     Sie schlurften durch das dunkle Haus zur Eingangstür. Er spürte die Anspannung der Muskeln des Mannes und wußte, daß auch
     in ihm Adrenalin zirkulierte. Sie waren draußen, auf der Straße, und er trat schnell einen Schritt zurück. Er wartete darauf,
     daß Davids sich zu ihm umwandte, sah die wutroten Augen des Drachen und zog das Messer aus seiner Tasche, ein langes Schlachtermesser,
     das er in einer Küchenschublade gefunden hatte.
    |78| Er reichte es dem Farbigen.
    »Da«, sagte er. »Da ist deine Chance.«
     
    Viertel vor sieben betrat Griessel den Konferenzraum im Sitz der Abteilung Gewaltverbrechen in Bishop Lavis, bemerkte aber
     die Unruhe nicht.
    Er setzte sich, ließ den Kopf sinken und blätterte ziellos in der Akte in seinem Schoß, er suchte nach einem Anfang für seinen
     Bericht. Er fühlte sich eigenartig – die Gedanken huschten wie silberne Fische durch seinen Kopf, sie tauchten ziellos in
     ein grünes

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