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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Stethoskop weg, steckte es in die Tasche seines weißen Kittels
     und setzte sich. »Es ist nichts Tolles. Eine Junggesellenwohnung in Gardens, Küche und Wohnzimmer unten, dann eine Holztreppe
     hoch zum Schlafzimmer. Dusche, Waschbecken, Toilette. Eins-zwei pro Monat. Das Gebäude ist alt, aber sauber.«
    Griessel schaute weg, an die Wand.
    »Wollen Sie sie?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Wieso das, Benny?«
    »Eben war ich noch wütend, Doc. Aber jetzt ist mir alles egal.«
    »Wütend auf wen?«
    »Alle. Meine Frau. Mich. Sie.«
    |98| »Vergessen Sie nicht, daß Sie einen Trauerprozeß durchlaufen, weil Ihr Freund in der Flasche tot ist. Die erste Reaktion darauf
     ist Wut auf irgend jemanden. Es gibt Leute, die jahrelang in diesem Stadium steckenbleiben. Man kann ihnen bei den AA-Treffen
     begegnen, sie gehen los auf alle und jeden, sie fluchen und brüllen. Aber das hilft auch nichts. Danach kommt die Depression.
     Hand in Hand mit dem Entzug. Dann Antriebslosigkeit und Erschöpfung. Da muß man durch; man muß am anderen Ende wieder rauskommen.
     Nach der Wut kommt Resignation. Und dann schließlich die Akzeptanz. Sie müssen mit Ihrem Leben weitermachen.«
    »Was ist das für ein gottverdammtes Leben?«
    »Sie müssen es sich selbst erschaffen. Sie müssen etwas finden, was den Alkohol ersetzt. Sie brauchen eine Freizeitbeschäftigung,
     ein Hobby, etwas zu tun. Aber Sie müssen es Tag für Tag angehen, Benny. Und wir reden jetzt erst mal über Morgen.«
    »Mir ist nichts geblieben. Ich habe zwei Koffer voll Klamotten, das ist alles.«
    »Ihre Frau läßt ein Bett in die Wohnung transportieren, wenn Sie sie wollen.«
    »Haben Sie mit ihr gesprochen?«
    »Das habe ich. Sie möchte Ihnen helfen, Benny.«
    »Warum hat sie mich dann nicht besucht?«
    »Sie sagt, sie hätte Ihnen letztes Mal zu bereitwillig geglaubt. Sie sagt, diesmal muß sie sich an ihre Entscheidung halten.
     Sie wird Sie erst wiedersehen, wenn Sie ganz trocken sind. Ich denke, das ist ein vernünftiges Vorgehen.«
    »Da haben Sie beide sich ja einen schönen Plan zurechtgelegt, nicht wahr?«
    »Das
Rooi-Komplot
, die große Verschwörung. Alle sind gegen Sie. Gegen Sie und die Flasche. Es ist schwer, ich weiß, aber Sie können das ab,
     Benny. Sie können das aushalten.«
    Griessel starrte ihn bloß an.
    »Sprechen wir mal über die Medikamente«, sagte Barkhuizen. »Was ich Ihnen verschreiben möchte …«
    »Warum tun Sie das, Doc?«
    |99| »Weil die Medikamente Ihnen helfen werden.«
    »Nein, Doc, warum beschäftigen Sie sich mit mir? Wie alt sind Sie?«
    »Neunundsechzig.«
    »Teufel, Doc, das ist doch Rentenalter.«
    Barkhuizen lächelte, und seine Augen schlossen sich hinter den dicken Brillengläsern. »Ich habe ein Strandhaus in Witsand.
     Wir waren drei Monate dort, dann war der Garten in Ordnung, das Haus war gepflegt, wir hatten die Nachbarn getroffen. Danach
     wollte ich trinken. Und mir wurde klar, daß ich das nicht dürfte.«
    »Also sind Sie zurückgekommen.«
    »Um Leuten wie Ihnen das Leben schwerzumachen.«
    Griessel schaute ihn lange an. Dann sagte er: »Die Medikamente, Doc.«
    »Naltrexone. Wird verkauft unter dem Namen Re Via, fragen Sie mich nicht, warum. Es funktioniert. Es macht den Entzug leichter,
     und es gibt keine ernstzunehmenden Nebenwirkungen, solange man sich an die Dosierung hält. Aber es gibt eine Bedingung. Die
     ersten drei Monate müssen Sie sich einmal die Woche mit mir treffen, und Sie müssen regelmäßig zu AA-Treffen gehen. Nicht
     verhandelbar. Entweder ja oder nein.«
    »Ich mache mit.« Er zögerte nicht.
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja, Doc, ich bin sicher. Aber ich möchte Ihnen etwas erzählen, damit Sie wissen, worauf Sie sich einlassen«, sagte er und
     tippte sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe.
    »Erzählen Sie.«
    »Es ist wegen der Schreie, Doc. Ich möchte wissen, ob die Medikamente gegen die Schreie helfen.«
     
    Die Kinder des Priesters kamen, um gute Nacht zu sagen. Sie klopften leise an der Tür, und er zögerte zuerst. »Bitte entschuldigen
     Sie«, sagte er zu ihr und rief dann: »Herein.« Zwei Teenagerjungen gelang es nur gerade eben, ihre Neugier ihr gegenüber zu
     verbergen, der ältere war vielleicht siebzehn. Er |100| war groß, wie sein Vater, und sein junger Körper war kräftig. Sein blitzschneller Blick nahm im Nu ihre Brustmaße und ihre
     Beinlänge. Er entdeckte das Papiertaschentuch in ihrer Hand; sie bemerkte bei ihm bereits die Aufmerksamkeit, über die auch
     sein

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