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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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von Schoemans Park. Ich traf ihn in jener Nacht mit einer Flasche in der Hand am achtzehnten
     Grün. Es war komisch. Es war, als erkannten wir einander. Wir waren uns ähnlich. Standen am Rand. In einem Studentenwohnheim
     merkt man das schnell – daß man nicht so richtig dazugehört. Niemand sagt etwas, alle sind nett zueinander, und man ißt und
     lacht und macht sich Sorgen um die Examen, aber man gehört nicht wirklich dazu.
    Viljoen sah es sofort. Er sah es, denn ihm ging es genauso.
    Wir begannen zu reden. Es war so … selbstverständlich, von Anfang an. Als ich wieder reinmußte, fragte er mich, was ich danach
     vorhätte, und ich sagte, ich müßte jemand finden, der mich mit zum Wohnheim nimmt, also könnte ich nichts unternehmen, und
     er sagte, er würde mich fahren.
    Als also alle weg waren, fragte er mich, ob ich den Caddy für ihn spielen würde, denn er wollte noch ein bißchen Golf spielen.
     Ich glaube, er war betrunken. Ich sagte, man kann doch nicht im Dunkeln Golf spielen, und er sagte, das glauben alle, aber
     er würde es mir zeigen.«
    Die Sommernacht in Bloemfontein … sie konnte das gemähte Gras riechen, konnte die Geräusche der Nacht hören, konnte den Halbmond
     sehen. Sie konnte sich noch erinnern, wie das Licht von der Veranda des Clubhauses sich auf Viljoens brauner Haut brach. Sie
     konnte seine breiten Schultern vor sich sehen, sein schiefes Grinsen, den Ausdruck seiner Augen, und die Aura, die ihn umgab,
     die schreckliche Einsamkeit, die er in sich trug. Das Geräusch, mit dem sein Golfschläger den Ball traf, und wie er in die
     Dunkelheit flog, und dann sagte er: »Komm mit, Caddy, laß dich vom Lärm der Menge nicht beirren.« Seine Stimme war sanft,
     selbstironisch. Vor jedem Schlag tranken sie aus seiner Flasche halbsüßen Wein, noch kalt, weil er aus dem Kühlschrank kam.
    »Nachts gibt’s kein Gezitter«, sagte er und versenkte seine Putts, lange wie kurze. Im Dunkeln ließ er den Ball perfekte |96| Linien ziehen, über die Buckel auf dem Grün, bis er klackernd ins Loch fiel. Auf dem Fairway des sechsten Loches küßte er
     sie, aber da mochte sie ihn schon so sehr, daß das okay war, absolut okay.
    »Er spielte neun Löcher im Dunkeln, und in dieser Zeit verliebte ich mich in ihn«, war alles, was sie dem Priester erzählte.
     Sie schien die Erinnerungen an jene Nacht bewahren zu wollen, als würden sie verblassen, wenn sie sie aus dem Dunkel holte
     und ins Licht hielt.
    Sie setzten sich in den Sandbunker neben dem neunten Loch, er füllte seine Scorecard aus und verkündete, daß er 33 hatte.
    So viel – sie neckte ihn.
    So wenig – er lachte. Ein gedämpfter Laut, ein wenig feminin. Er küßte sie wieder. Langsam und vorsichtig, als gäbe er sich
     Mühe, es gut zu machen. Mit derselben Sorgfalt streckte er sie aus und entkleidete sie, er faltete jedes Kleidungsstück und
     legte es auf das Gras neben ihnen. Er hatte über ihr gekniet und sie geküßt, vom Hals bis zu den Knöcheln, mit einem Ausdruck
     absoluten Erstaunens: daß ihm das vergönnt war, diese magische Gelegenheit. Schließlich drang er in sie ein, und in seinem
     Blick lag die Intensität großer Gefühle, und sein Rhythmus beschleunigte sich, sein Drang wuchs und wuchs, und er verlor sich
     in ihr.
    Sie mußte sich zwingen, die Erinnerung loszulassen, mußte zurückkehren in die Gegenwart, wo der Priester geduldig darauf wartete,
     daß sie ihr Schweigen brach.
    Sie fragte sich, warum die Erinnerungen so eng mit Gerüchen verbunden waren, denn sie konnte ihn jetzt riechen – Deodorant,
     Schweiß, Samen und Gras und Sand.
    »Am neunten Loch schwängerte er mich«, sagte Christine und griff nach den Papiertaschentüchern.

|97| 14
    Barkhuizen, der Arzt mit der dicken Brille, hatte sein verbliebenes Haar diesmal zu einem kessen Pferdeschwänzchen gebunden.
     Er kam am nächsten Morgen, nachdem Griessel sein Frühstück ohne Begeisterung oder Appetit heruntergewürgt hatte.
    »Ich freue mich, daß Sie essen«, sagte er. »Wie fühlen Sie sich?«
    Griessel vollführte eine Geste, die sagte: egal.
    »Fällt es Ihnen schwer, zu essen?«
    Er nickte.
    »Ist Ihnen übel?«
    »Ein bißchen.«
    Der Arzt leuchtete ihm mit einer Lampe in die Augen.
    »Kopfschmerzen?«
    »Ja.«
    Er preßte ein Stethoskop auf seine Brust und lauschte, dann tastete er nach Griessels Puls.
    »Ich habe eine Wohnung für Sie gefunden.«
    Griessel sagte nichts.
    »Sie haben ein Herz wie ein Pferd, mein Freund.« Er nahm das

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