Der Atem des Jägers
begonnen, sich zu befriedigen. Er habe den Jungen ermutigt, ihm
dabei zur Hand zu gehen
.
Das nächste Problem bestünde darin, ins Haus zu gelangen. Die Vorderseite war zu gut einsehbar, er mußte auf die Rückseite,
wo die Betonmauer ihn vor den Nachbarn verbarg. Es gab die Gitter gegen Einbrecher. Und die Wachmannschaft-Schilder hießen:
Alarmanlage
. Und ein Panik-Knopf.
Eine Mutter, deren Namen nicht öffentlich gemacht wurde, sagte aus, daß ihr fünf Jahre alter Sohn Anzeichen von Streß zeigte,
darunter starke Aggressionen, Bettnässen und Konzentrationsschwäche, so daß die Eltern einen Kinderpsychologen zu Rate zogen.
In der Therapie ergab sich, daß das Kind über mindestens drei Monate von Pretorius, dem Inhaber des Kinderhortes, mißbraucht
worden war.
Es gab zwei Alternativen. Warten, bis Pretorius nach Hause kam. Oder versuchen, ins Haus zu gelangen. Die erste Möglichkeit
war nicht zu planen, zu schwer zu kontrollieren. Die zweite war schwierig, aber nicht unmöglich.
Thobela zahlte für sein kaltes Getränk. Er hatte keinen Hunger. Er spürte die Aufregung, eine leichte Anspannung, seine Sinne
schienen geschärft. Er holte seinen Bakkie vom Parkplatz und fuhr.
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Die Polizei beschlagnahmte Pretorius’ Computer, CD-ROMs und Videos. Inspector Dres Luyt von der Ermittlungseinheit Häusliche
Gewalt erklärte vor Gericht, sowohl Menge als auch Inhalt der kinderpornografischen Materialien wären »schlimmer gewesen als
alles, was unsere Einheit je gesehen hat«.
Er fuhr einfach hinter den anderen her.
Dachte daran, wie er mit Pakamile, eine Woche vor dem Tod des Jungen, in den Bergen Mpumalangas hinter Amersfoort gewesen
war. Auf ihren Motorrädern, zusammen mit sechs anderen Teilnehmern in der hellen Morgensonne, zwischen den hübschen Holzhäuschen,
der Blick seines Sohnes auf den Lehrer gerichtet, der so begeistert reden konnte.
»Der größte Feind der Motorradfahrer ist das Fixieren auf ein Ziel. Das liegt jedem von uns im Blut. Hirn und Augen arbeiten
unglücklicherweise so: Wenn man ein Schlagloch oder einen Stein anschaut, fährt man auch hinein oder dagegen. Also schaut
niemals direkt auf das Hindernis. Kampfpiloten werden darin ausgebildet, neunzig Grad vom Ziel wegzuschauen, wenn sie die
Raketen abfeuern. Hat man ein Hindernis auf der Straße erst einmal gesehen, weiß man, daß es da ist. Sucht nach dem Weg drum
herum; behaltet den sicheren Weg im Auge. Das Motorrad wird euch automatisch folgen.«
Er hatte damals schon gedacht, daß das eine Lektion nicht nur im Motorradfahren war – das Leben funktionierte auch so. Selbst
wenn man es spät oder fast zu spät begriff. Manchmal sah man die Steine einfach nicht. Zum Beispiel, als er aus dem Krieg
zurückgekehrt war. Kampfbereit, aufgeladen, bereit für das neue Südafrika. Er wollte seine Ausbildung, seine Fähigkeiten und
seine Erfahrung einsetzen. Er war Absolvent der KGB-Universität, der Stasi-Scharfschützenschule, war ein Veteran mit siebzehn
Morden in europäischen Großstädten.
Aber niemand wollte ihn.
Außer Orlando Arendse. Sechs Jahre lang schützte er Drogenkuriere und kassierte Drogenschulden, bis er die Steine und Schlaglöcher
bemerkte, bis er sich in Sicherheit bringen mußte, um nicht selbst einen Unfall zu erleiden.
|128| Und jetzt?
Thobela parkte am Hendrik Verwoerd Drive oben, am Buckel des Tygerbergs, von dem aus man das Kap vor sich liegen sehen kann,
so weit der Tafelberg reicht; es glitzerte in der Nacht.
Er war jetzt hier, um ein Hindernis der Gesellschaft aus dem Weg zu schaffen.
Als Griessel mit beiden Händen voller Tüten von
Pick and Pay
zurück zur Wohnung kam, stand Dr. Barkhuizen vor der Tür und hatte gerade die Hand gehoben, um zu klopfen.
»Ich wollte mal sehen, ob es Ihnen gutgeht.«
Später saßen sie im Schneidersitz auf dem Küchenfußboden und tranken Instantkaffee aus den brandneuen Blumentassen, und Griessel
erzählte ihm von der Bierwerbung. Der Arzt sagte, das sei erst der Anfang. Er werde sehen, was bislang unsichtbar gewesen
war. Die ganze Welt werde sich verschwören gegen ihn, das Universum werde versuchen, ihn zu einem kleinen Schlückchen zu bewegen,
bloß einem Glas. »Das Gehirn ist ein phantastisches Organ, Benny. Es scheint ein Eigenleben zu haben, das wir gar nicht bemerken.
Wenn man lange genug trinkt, gewöhnt es sich an diesen Zustand. Und wenn man dann aufhört, versucht es die Balance wieder
herzustellen.
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