Der Atem des Jägers
darüber nach! Es gibt Faktoren, die dazu beitragen. Ihre Arbeit. Ich vermute, sie alle leiden
an einem posttraumatischen Streßsyndrom – bei all den Morden und dem Tod. Aber das ist nicht die tatsächliche Quelle. Es ist
etwas anderes. Und es hat Sie auch dazu gebracht, zu trinken. Es hat auch mich dazu gebracht, zu trinken.«
Griessel starrte ihn lange an, dann neigte er den Kopf. »Ich weiß«, sagte er.
»Sagen Sie es, Benny.«
»Doc …«
»Sagen Sie’s.«
»Ich fürchte mich vor dem Tod, Doc. Ich fürchte mich so sehr zu sterben.«
Thobela saß am Steuer. Er atmete immer noch schwer, Schweiß tropfte, sein Herz klopfte. Herr, er war vierzig, zu alt für so
etwas.
Er schob den Schlüssel ins Zündschloß.
Es gab einen Unterschied. Seine siebzehn Zielpersonen für den KGB … da war es ihm egal gewesen, er hatte mechanisch seine
Aufgabe getan und hatte sogar gezögert, wenn es einen blassen Sesselfurzer mit Hängeschultern und farblosem Blick getroffen
hatte.
Aber diesmal nicht. Das war anders. Als das Assegai durch das Herz des Mannes gedrungen war, hatte er Euphorie verspürt. Absolute
Gerechtigkeit.
Vielleicht hatte er, letztendlich, seine wahre Bestimmung gefunden.
|134| 18
Am folgenden Morgen rief sie ihn in seinem Hotelzimmer an. Aus einer Telefonzelle, mit Sonia auf der Schulter.
»Fünfhundert Rand«, meldete sie sich mit ruhiger Stimme, die ihre Angst nicht verriet.
Er brauchte nur ein paar Sekunden, um sie wiederzuerkennen, dann sagte er: »Können Sie um sechs Uhr?«
»Ja.«
»Zimmer 1036 im
Holiday Inn
gegenüber dem Eingang zur Waterfront.«
»Sechs Uhr«, wiederholte sie.
»Wie heißt du?«
Ihr Hirn erstarrte. Sie wollte ihm ihren Namen nicht nennen, aber ihr fiel auch kein anderer ein. Sie dürfte nicht zu lange
zögern, sonst wüßte er, daß es erfunden war – also sagte sie das erste Wort, das ihr über die Lippen kam.
»Bibi.«
Später fragte sie sich: Warum das? Bedeutete das etwas, hatte das einen psychologischen Hintergrund, konnte ihr das helfen,
sich besser zu verstehen? Von Christine zu Bibi. Ein Sprung, eine neue Identität, ein neues Wesen. Es war auf eine gewisse
Art auch eine Geburt. Und eine Mauer. Zuerst dünn wie Papier, transparent und zerbrechlich. Zuerst.
»Ich habe viel darüber nachgedacht«, sagte Christine, denn sie wollte die Geschichte diesmal richtig hinbekommen.
»Das Geld war sicher wichtig. Es ist so, als wenn man Lotto spielt und sich überlegt, was man mit dem Jackpot machen würde.
In der Vorstellung gibt man das Geld für sich und sein Kind aus. Für Sachen, die man braucht, man verschwendet das Vermögen
nicht. Man wird keiner dieser Neureichen. Deswegen wird man auch gewinnen. Weil das Leben es einem schuldet. Man hat es verdient.
Aber das Geld war nicht das Wichtigste. Es gab noch einen anderen Aspekt, den ich seit meiner Schulzeit mit mir trug. |135| Als ich mit dem Freund meines Vaters geschlafen habe. Und dem Lehrer. Wie ich mich damals fühlte. Ich kontrollierte sie, aber
ich kontrollierte mich nicht selbst. Wie kann ich das erklären? Ich war nicht
in
mir. Und doch
war
ich.«
Sie wußte, das waren nicht die richtigen Worte, um es zu beschreiben, und vollführte eine irritierte Bewegung mit den Händen.
Der Priester reagierte nicht, er wartete bloß aufmerksam, oder vielleicht war er auch auf seinem Stuhl festgenagelt.
Sie schloß frustriert die Augen und sagte: »Natürlich geht es auch um Macht. Onkel Sarel, der Freund meines Vaters, hat mich
eines Nachmittags nach Hause gefahren. Als ich die Wagentür öffnete und sah, wie er mich anschaute, wußte ich, daß er mich
wollte. Ich fragte mich, was er sagen würde, was er tun würde. Er klammerte sich mit beiden Händen an das Steuerrad, denn
er zitterte und wollte nicht, daß ich es sah. Da spürte ich, wie stark ich war. Ich spielte mit ihm. Er sagte, er wollte bloß
mit mir reden, nur ein Weilchen, ob wir noch etwas umherfahren könnten? Er fürchtete sich, mich anzuschauen, und ich bemerkte,
wie kurz vor dem Durchdrehen er war, aber ich war so cool, also sagte ich: ›Klar, das klingt nett.‹ Ich tat so, als wäre ich
ganz unschuldig, denn das war es, was er wollte. Er redete irgendwelchen Unfug, er redete und redete und hielt dann am Fluß,
und ich spielte immer weiter mit, und er sagte, er habe mich schon so lange beobachtet, ich sei so sexy, aber er respektierte
mich, und dann legte ich meine Hand auf seinen Schwanz und
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