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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Nacht.‹
     Er war ein ganz normaler Typ, vielleicht vierzig, er hatte eine Brille und einen kleinen Bauch, und ich fragte: ›Was muß ich
     dafür tun?‹, und er sagte: ›Du weißt schon‹, aber ich habe es immer noch nicht begriffen. Und dann sagte er: ›Bring mir einen
     Stift, dann schreibe ich dir mein Hotelzimmer auf.‹ Da verstand ich endlich und stand einfach da und starrte ihn an, ich wollte
     ihn anbrüllen, was glaubte er denn, wer ich sei. Ich war so wütend, aber was sollte ich tun, er war ein Kunde. Also ging ich
     seine Rechnung holen, und als ich wiederkam, war er verschwunden. Er hatte hundert Rand Trinkgeld dagelassen und einen Zettel
     mit seiner Hotelnummer. Dazu hatte er geschrieben: ›Fünfhundert Rand? Eine Stunde.‹ Ich steckte den Zettel in die Tasche,
     denn ich wollte nicht, daß jemand ihn sah.
    Fünfhundert Rand. Wenn man sechshundertachtzig Miete |120| zahlt, sind fünfhundert viel Geld. Wenn man fünfundvierzig für die Kinderbetreuung bezahlt, am Wochenende noch mehr, denn
     da gibt’s die Trinkgelder, dann bringen einen fünfhundert echt weiter. Wenn man dreitausend im Monat braucht und nie weiß,
     ob man die zusammenbringt, und zugleich für ein Auto sparen muß, denn was, wenn man sein Kind abholt und es regnet … dann
     holt man so einen Zettel aus der Tasche und schaut ihn sich noch einmal an. Aber wer kann das verstehen? Welcher Weiße kann
     so etwas schon verstehen?
    Aber man denkt: Was macht es schon für einen Unterschied? Man kann das jeden Tag sehen. Ein Pärchen kommt herein und er lädt
     sie zum Essen ein – warum? Um sie ins Bett zu kriegen. Was ist der Unterschied? Dreihundert Rand für ein Abendessen oder fünfhundert
     für Sex.
    Sie haben mich sowieso angegraben, die Männer. Selbst als ich schwanger war, im Coffee Shop. Und auch hinterher, im
Trawlers
, es wurde immer schlimmer. Die ganze Zeit, manche glotzen bloß und sagen Sachen wie: ›Hübsche Titten‹ oder ›Netter Hintern,
     Süße‹. Manche fragen einen geradeheraus, was man am Freitag vorhat, oder: ›Hast du einen Freund, Schätzchen?‹ Die Eitlen hinterlassen
     ihre Handynummern auf den Geldscheinen, als seien sie ein Geschenk Gottes. Manche wollen einen auch ausfragen: ›Wo kommst
     du her?‹, ›Wie lange bist du schon in Kapstadt?‹, ›Was studierst du?‹ Aber man weiß, was sie wirklich wollen, denn bald schon
     fragen sie: ›Hast du eine eigene Wohnung?‹, oder: ›Herrje, wir reden doch so
lekker
, wenn deine Schicht zu Ende ist, können wir doch ein bißchen weiterreden …‹ Zuerst hält man sich für etwas ganz Besonderes,
     denn manche von ihnen sind wirklich nett und witzig, aber dann kriegt man mit, daß sie es bei allen machen, sogar bei den
     häßlichen Kellnerinnen. Sie hören nie auf, ganz egal, ob sie sechzehn oder sechzig sind, verheiratet oder Single, sie sind
     auf der Jagd und halten nie inne.
    Und dann sitzt man in seinem Zimmer und denkt an all das, und man denkt an all das, was man nicht hat, und man denkt: Es macht
     doch wirklich keinen Unterschied – fünfhundert |121| Rand –, und man lügt sich etwas vor und fragt sich, wie könnte das wohl sein, wie schlimm kann es sein, mit dem Typen eine
     Stunde zu verbringen?«

17
    Den ganzen Tag lang hatte Griessel nach einem Lockvogel gesucht, einer Polizistin mittleren Alters, die am Freitagabend einen
     Einkaufswagen durch den
Woolworth
an der Waterfront schieben sollte. Dann würde das Schwein sich hoffentlich ausgerechnet sie greifen. Jemand schlug schließlich
     eine Sergeantin Marais in Claremont vor, Ende Dreißig, die könnte passen. Er rief sie an und verabredete sich mit ihr.
    Er nahm die M5, denn das ging schneller, und bog in Lansdowne ab, um die Hauptstraße entlangzufahren. An der Ausfahrt, direkt
     links von der Straße, stand eine Werbetafel, sehr breit und hoch. Castle Lager. Bier. Scheiße, er hatte seit Jahren kein Bier
     mehr getrunken, aber auf dem Plakat war ein Glas mit feuchten Tröpfchen an den Seiten, ein weißer Schaumkopf, der Inhalt pissefarben.
     Er mußte an der Ampel halten und das verdammte Bierglas anstarren. Er konnte es schmecken. Diesen trockenen, bitteren Geschmack.
     Er konnte es durch seinen Hals rinnen spüren, vor allem aber konnte er spüren, wie sich die Wärme von dieser Medizin in seinem
     Bauch ausbreitete.
    Als er zu Sinnen kam, hupte jemand hinter ihm, ein kurzes, gereiztes Tröten. Er zuckte zusammen und fuhr davon. Ihm wurde
     erst jetzt klar, was geschehen

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