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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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benutzen, wenn du mit ihm sprichst. Immer wieder. So verkaufst du dich am Telefon. Du darfst nicht vergessen, er hält immer
     noch Ausschau, es gibt viele Anzeigen und Möglichkeiten, und er kriegt seine fünfhundert Rand nicht von der Krankenkasse wieder.
     Sag seinen Namen, selbst wenn er erfunden ist. Das zeigt, daß du ihm glaubst und vertraust. Es zeigt, daß du ihn wichtig nimmst.
     Du massierst sein Ego, behandelst ihn als etwas ganz Besonderes. Deswegen ruft er an. Damit ihn jemand als etwas ganz Besonderes
     behandelt.«
    »Warum gibst du mir all diese Ratschläge?«
    »Warum nicht?«
    »Stehen wir nicht in Konkurrenz?«
    »Süße, es geht um Angebot und Nachfrage. Die Nachfrage von geilen Männern in dieser Stadt ist unbegrenzt, aber das Angebot
     an Huren, die wirklich fünfhundert Rand die Stunde wert sind, ist … Ach, du solltest manche von ihnen sehen. Und die Männer
     werden klüger.«
    Und: »Such dir eine Wohnung zum Arbeiten. Du willst nicht, daß die Klienten dich zu Hause nerven. Das tun sie, sie kommen
     ohne Termin am Samstagabend, betrunken, sie stehen auf deiner Schwelle und jaulen: ›Ich liebe dich, ich liebe dich.‹«
    Und: »Ich habe einmal fünfundfünfzigtausend Rand im Monat verdient, Scheiße, ich habe meine Beine gar nicht wieder zusammenbekommen,
     das war schon hart. Aber wenn du es auf drei Männer am Tag bringst, machst du locker dreißigtausend in einem guten Monat,
     steuerfrei. Man muß Heu machen, während die Sonne scheint, denn manche Monate sind lau. Dezember ist phantastisch. Annoncier
     auch im
Argus
, denn da finden dich die Touristen. Und im
Sextrader
im Internet. Wenn er einen Akzent hat, nimm sechshundert.«
    |141| Und: »Ihre Frauen haben selbst schuld. Sie sagen alle dasselbe.
Mamma
will nicht mehr bumsen.
Mamma
will nicht blasen.
Mamma
will nichts Neues ausprobieren. Wir sind Therapeuten, ich sag’s dir, ich sehe doch, wie sie kommen und wie sie gehen.«
    Vanessa erzählte ihr von den anderen Mitgliedern im AECW – Afrikaans und Englisch, weiß, braun, schwarz, und eine kleine schlanke
     Frau aus Thailand. Christine traf nur drei oder vier von ihnen und telefonierte mit ein paar anderen, aber sie zögerte, sich
     wirklich zu engagieren – sie wollte Abstand halten und anonym bleiben. Sie hielt sich aber an ihre Ratschläge. Sie suchte
     sich ein Zimmer im Gardens Centre und schraubte ihre Ziele höher. Und machte Geld.
    Langsam bildeten sich Regelmäßigkeiten heraus. Die Morgen gehörten Sonia und die Wochenenden auch, außer wenn sie für ein
     Jagdwochenende gebucht wurde, aber das Geld wog das auf. Sie arbeitete von 12.00 bis 21.00 Uhr und holte dann ihre Tochter
     bei der Kinderbetreuung ab, wo man glaubte, sie sei Krankenschwester.
    Jeden dritten Monat rief sie ihre Mutter an.
    Sie kaufte sich ein Auto, bar, einen blauen Volkswagen City Golf, Baujahr 1998. Sie zog in eine größere Wohnung, eine großzügige
     Zweizimmerwohnung im selben Gebäude. Sie richtete sich Stück für Stück ein, wie ein Puzzle. Satellitenfernseher, eine automatische
     Waschmaschine, Mikrowelle. Ein Mountainbike für sechstausend Rand, bloß weil der Verkäufer sie von oben bis unten gemustert
     und ihr dann die Modelle für siebenneunundneunzig gezeigt hatte.
    Ein Jahr, nachdem sie die erste Anzeige geschaltet hatte, fuhr sie mit Sonia zwei Wochen auf Urlaub nach Knysna. Auf dem Rückweg
     hielt sie an einer Ampel in der Stadt und schaute hoch zu den Verkehrsschildern, links ging es nach Kapstadt, rechts nach
     Port Elizabeth. Und in diesem Augenblick wollte sie nach rechts fahren, irgendwohin, in eine neue Stadt, ein neues Leben.
    Ein normales Leben.
    |142| Ihre Stammkunden hatten sie vermißt. Sie hatte zahlreiche Nachrichten auf dem Handy, als sie es wieder anschaltete.
    Sie war seit fast zwei Jahren in Kapstadt, als sie wieder einmal zu Hause anrief. Ihre Mutter weinte, als sie die Stimme ihrer
     Tochter hörte. »Dein Vater ist vor drei Wochen gestorben.« Sie konnte hören, daß ihre Mutter nicht nur aus Trauer weinte,
     sondern ihr auch einen Vorwurf machen wollte. Sie wollte sagen, daß Christine zu dem Herzinfarkt beigetragen hatte. Sie warf
     ihr vor, daß sie all das allein hatte ertragen müssen, daß ihr keiner geholfen hatte. Und trotzdem empfand Christine einen
     überraschend stechenden, tiefen Schmerz, so daß sie einen Schrei ausstieß.
    »Was war das denn für ein Geräusch?« fragte ihre Mutter.
    Sie wußte es auch nicht. Da waren der Verlust und die

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