Der Atem des Jägers
sich heraus. Wenn sie morgens anriefen, dann waren es Männer aus der Gegend, die zu ihr kommen |138| wollten. Am späten Nachmittag und Abend waren es Hoteltreffen. In der ersten Woche verdiente sie zweitausend Rand, denn sie
nahm nur einen Anruf pro Abend und schaltete dann das Telefon aus. Donnerstag war es ihrer Tochter nicht gutgegangen, und
sie hatte nicht gearbeitet. In der zweiten Woche entschied sie sich, zwei pro Tag anzunehmen, einen am späten Nachmittag,
den anderen am frühen Abend. Das konnte ja nicht so schlimm sein, und zwischendurch konnte sie baden und frisches Parfum auflegen
… Das würde ihr Einkommen verdoppeln und die Abende ausgleichen, an denen es keine Klienten gab.
Klienten
. Das war nicht ihr Wort. Eines Nachmittags klingelte ihr Handy, eine Frauenstimme. Vanessa. »Wir arbeiten im selben Beruf.
Ich habe deine Anzeige gelesen. Wollen wir mal Kaffee trinken?«
So wurde sie aufgenommen in das, was Vanessa – richtiger Name: Truida – die AECW nannte: die Association of Expensive Cape
Whores, den Club teurer Kap-Huren. »Es ist wie eine Frauengruppe, bloß lesen wir nicht in der Bibel und beten.« Vanessa war:
Junge rothaarige Studentin, Nord-Kapstadt. Komm und zeig’s mir. Gehoben und exklusiv
.
Sie erzählte ihre Lebensgeschichte in einem Coffee Shop in der Church Street Mall. Eine Frau mit scharfen Zügen und makelloser
Haut, einer Narbe am Kinn und exzellent gefärbten roten Haaren. Sie stammte aus Ermelo. Sie hatte der Enge ihrer Heimatstadt
und dem Mittelstandleben ihrer Eltern entkommen wollen. Sie hatte ein Jahr Sekretärin an der Technischen Universität Johannesburg
gelernt und dann in Midrand für eine Firma gearbeitet, die Motoren wartete. Sie verliebte sich in einen jungen Schweden, den
sie in einer Disco in Sandton kennenlernte. Karl. Seine Geilheit kannte keine Grenzen. Manchmal verbrachten sie das ganze
Wochenende im Bett. Sie wurde süchtig nach ihm, nach den intensiven multiplen Orgasmen, nach der ständigen Stimulation und
der unglaublichen Energie. Vor allem wollte sie ihn weiter befriedigen, auch wenn das jede Woche ein wenig schwieriger wurde,
einen |139| Schritt in unbekanntes Gebiet erforderte. Wie ein Frosch im Wasser, das immer wärmer wurde. Er hypnotisierte sie mit seinem
Körper, seinem Penis, seiner Weltgewandtheit. Alkohol, Spielzeug, Ecstasy, Rollenspiele. Eines Nachmittags bestellte er eine
Prostituierte, damit sie einen Dreier haben konnten. Einen Monat später nahm er sie mit zu einem FKK-Club in einem hübschen
großen Haus, einer ehemaligen Farm, in der Nähe von Bryanston. Er war dort nicht unbekannt, was sie jedoch kaum registrierte.
In der ersten Woche mußte sie zuschauen, wie er mit zweien von ihnen schlief, in der zweiten Woche mußte sie mitmachen – vier
Körper, die sich wanden wie Schlangen –, und schließlich wollte er zusehen, während sie mit zwei anderen Männern in einem
großen Zimmer auf einem großen Himmelbett Sex hatte.
Als sie zum ersten Mal erfuhr, was die Mädchen in dem Haus in Bryanston verdienten, lachte sie ungläubig. Sechs Wochen, nachdem
Karl sie sitzengelassen hatte, fuhr sie zu dem Club und bat um einen Job. Sie hoffte, ihn dort zu treffen; sie wollte das
Geld, weil sie die Orientierung verloren hatte. Aber sie war nicht so orientierungslos, daß sie nicht begriff, wie es funktionierte.
Zu viele der Mädchen finanzierten Männer, die sie schlugen und die ihnen jeden Sonntag das Geld wegnahmen, um sich Alkohol
oder Drogen zu kaufen. Zu viele waren abhängig von dem Stimulans des Kokains, manchmal Heroins, das leicht erhältlich war.
Der Club kassierte die Hälfte ihrer Einnahmen. Als sie über Karl hinweg war, ging sie nach Kapstadt, allein, erfahren und
entschlossen.
»Das Wichtigste ist, viel zu sparen, damit du nicht in zehn Jahren wie die Fünfzig-Rand-Nutten an der Straße stehst und hoffst,
daß jemand schnell mal einen geblasen haben will. Nimm keine Drogen und spar dein Geld. Setzt dich zur Ruhe, wenn du dreißig
bist.« Und: »Weißt du, wie man nach Namen fragt?«
»Nein.«
»Wenn sie anrufen, frag nach ihrem Namen. Frag nach dem Namen.«
|140| »Warum? Die meisten lügen doch ohnehin.«
»Wenn sie lügen, ist das gut. Nur die verheirateten lügen. Ich habe nie ein Problem mit einem verheirateten Mann gehabt. Aber
vor denen, die keine Frau kriegen können, mußt du dich vorsehen. Das Geheimnis besteht darin, den Namen, den er dir sagt,
zu
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