Der Atem Manitous
Gnade zu erwarten. Sie war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich Gedanken über etwas zu machen, was in ihren Augen >nur< ein Vogel war. Sie kämpfte gegen die Probleme, die ihr das völlige Verschwinden des Mondes offenbar bereitete. Immer wieder starrte sie kauernd zum Nachthimmel und reckte die Arme, als könnte sie seine Rückkehr damit beschleunigen.
Makootemane hielt immer noch das blutgetränkte Tuch in seiner Faust, und ihm war, als spräche es zu ihm.
Natürlich tat es das nicht wirklich. Dennoch wuchs sein Unbehagen durch diese Vorstellung.
Wenn er wenigstens sicher hätte sagen können, warum er sich zu dieser Tat hatte hinreißen lassen. Das aber vermochte er nicht. Er war einfach einem Impuls gefolgt. Einem Wollen, das tiefer wurzelte als sein bewußtes Denken ...
Als sich der Hüter bald nach der Rückkehr des Mondes mit der Wolfsfrau verabschiedete, barg Makootemanes Faust noch immer das im Purpur gewaschene schwarze Blut.
Es war nicht viel. Es hätte kaum einen Behälter von der Größe einer Daumenkuppe gefüllt.
Aber es war auch nicht für einen Arapaho bestimmt .
. sondern für sein geflügeltes Totem.
*
GEGENWART
Mona saß mit angezogenen Beinen, die Knie umschlungen und das Kinn darauf gestützt, in der Trostlosigkeit ihrer Zelle und dachte darüber nach, ob es nicht doch ein Fehler gewesen war, die erhoffte Aufmerksamkeit durch offensichtlichen Mord auf sich zu ziehen.
Mit Philip hatte sie dabei die wenigsten Probleme - vermutlich würde niemand sein Verschwinden mit ihr in Verbindung bringen, und nur modernst ausgerüstete Spurenermittler hätten in ihrem Zimmer vielleicht Reste menschlicher DNA in den Ascheresten nachweisen können. Die wirklichen Probleme gab es mit den drei anderen, wahllosen Opfern aus dem Motel.
Der schwergewichtige Sheriff hatte kurz den Eindruck bei ihr erweckt, daß ihn der Name Makootemane aufgeschreckt hätte. Aber weder er noch sein Deputy hatten sie bislang einem näheren Verhör unterzogen, und allmählich verdichtete sich in Mona die Befürchtung, daß sie sich gehörig verrechnet hatte.
Sie hatte hoch gepokert. Und nun schien es, als hätte sie sich damit selbst matt gesetzt.
Dabei war sie nach New Jericho gekommen, um hier starke Verbündete zu mobilisieren.
Chiyoda hatte ihr nach Abwägen vieler möglicher Zukünfte Hinweise auf Lilith Edens Aufenthaltsort gegeben. Diese galten für den 9. Januar, für den Donnerstag in einer Woche also. An diesem Tag sollte sich Lilith in Bangor im US-Bundesstaat Maine aufhalten. Chiyoda hatte sogar die Straße benannt, wo die Halbvampirin auftauchen würde, um es Nona zu ermöglichen, dem gefährlichen Zwitter gegenüberzutreten, der nach ihrer Ansicht zumindest eine Mitschuld an der Seuche trug, die über die Vampire gekommen war.
Nun suchte Nona Mittel und Wege, den Fluch wieder von der Alten Rasse - und ganz besonders von Landru - zu nehmen. Denn solange er die Seuche weitergab, konnte sich auch Nona ihm nicht nähern. Es hätte sie unweigerlich das Leben gekostet.
Auch wenn sie nie gestorben und gewiß keine Vampirin war, hatte doch auch sie einst sein schwarzes Blut aus dem unheiligen Gral getrunken. Die Wahrscheinlichkeit war groß, daß sie damit ebenfalls anfällig für die Seuche war.
Nona schätzte ihre eigenen Stärken realistisch genug ein, um zu wissen, daß sie allein Lilith im direkten Kampf - selbst bei Vollmond - unterlegen war.
Deshalb, und nur deshalb hatte sie sich der Ereignisse vor dreihundert Jahren erinnert - und darauf gehofft, daß der Boden, aus dem New Jericho geschossen war, immer noch Heimat jener Sippe war, die Landru dereinst hier in den Wäldern gezeugt hatte.
Diese Sippe schien die Seuche bislang verschont zu haben. Sonst hätte Philip nicht die frischen Male getragen. Außerdem: Wenn der Fluch die indianischen Vampire ereilt hätte, wäre ihr Wirken offensichtlich geworden. Dann hätten sie, wie alle Befallenen, ein Massaker in ihrem Machtbereich angerichtet. Hätten verzweifelt tagein, tagaus Blut getrunken, ohne daß der Stoff, mit dem sie stets erfolgreich die Zeit betrogen hatten, ihr Sterben verzögern konnte.
Die von Chiyoda beschriebenen Szenarien waren perfider als alles, was Nona selbst je gesehen oder erlebt hatte, obwohl sie Zeugin vieler Greuel gewesen war.
Von Purpurstaub hatte Chiyoda berichtet; von Purpurstaub, der in alle Vampiroberhäupter, die je ihr Blut in den Lilienkelch gegeben hatten, gedrungen und sie zu Boten des Todes gemacht
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