Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Atem Manitous

Der Atem Manitous

Titel: Der Atem Manitous Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
Vom Netzwerk:
hinabstieg.
    Sie brauchte ihn nicht zu untersuchen.
    Es war offensichtlich, daß kein Leben mehr in ihm war - auch kein Pseudoleben. Der Mörder hatte es fertiggebracht, seinem Opfer das Blut zu stehlen, ohne den Keim zu übertragen. Ähnlich mußte er es bei den Leichen getan haben, die er des Nachts aus dem Fenster geworfen hatte. Sonst hätten sie zu Staub zerfallen oder auf andere Weise abnorme Veränderungen zeigen müssen .
    Trotz des hellen Tages hatte Lilith es gewagt, als Fledermaus zur rückwärtigen Seite des belagerten Hauses zu fliegen und dort durch ein angelehntes Gaubenfenster in den darunterliegenden Speicher einzudringen.
    Außer wertlosem Gerümpel hatte sie dort nichts gefunden.
    Auch nichts gehört - außer der megaphonverstärkten Stimme, die in unregelmäßigen Abständen versuchte, den >Geiselnehmer< zur Aufgabe zu bewegen.
    Lilith hatte ihr Outfit verändert. Die Nachahmung einer Uniform war einem pechschwarzen, hauteng anliegenden Catsuit gewichen, wie sie es am liebsten trug. So gekleidet drang sie tiefer ins Gebäude vor.
    Bis sie schmatzende Geräusche und irres Kichern auffing.
    Beides kam aus dem zweiten Stock. Die Tür, hinter der es ertönte, war nur angelehnt. Lilith schlich darauf zu und spähte durch den Spalt.
    Überall herrschte Halbdunkel, als könnte der Bewohner des Hau-ses die Mittagshelle nicht ertragen.
    Nicht mehr.
    In dem Moment, als Lilith sah, was in dem Raum vorging, ertönte eine wie eingerostet klingende Stimme, die ihr zurief: »Nur herein, nur herein! Allerdings kann ich nicht versprechen, daß ich nicht beiße .«
    Die Gestalt, die ein unbekanntes totes Mädchen kaum noch schätzbaren Alters über sich gezogen hatte und an den aufgeschlitzten Stellen des Leichnams wie an einem Gefäß von nur zufällig menschlicher Form saugte, lachte schallend über den vermeintlichen Scherz.
    Lilith mußte sich eingestehen, sich getäuscht zu haben. Das war nicht das Oberhaupt der hiesigen Sippe. Dieser Vampir litt unübersehbar an der Seuche.
    Mit ausdruckslosem Gesicht drückte sie die Tür vollständig auf und betrat das Horrorzimmer.
    Es gab nicht nur diese eine Leiche. Lilith zählte drei - und einen Lebenden. Einen Mann von etwa vierzig Jahren. Er starrte apathisch vor sich hin. Vielleicht war er hypnotisiert, vielleicht auch nur völlig erledigt von dem, was er hatte mitanschauen müssen.
    Lilith hatte ähnliche Szenarien schon gesehen. Leichter wurde es dadurch nicht, sich in sie hinein zubegeben, Teil von ihnen zu werden .
    »Aber ich«, sagte sie. »Ich beiße. Gibt es Gründe, weshalb ich dich nicht beißen sollte?«
    Er wußte nicht, mit wem er es zu tun hatte. Er hatte keine Ahnung.
    »Dafür gibt es tausend Gründe«, entgegnete er. »Ich nenne dir einen: Du willst dir doch nicht die Krätze holen? Ich habe die Krätze ... oder irgend etwas in dieser Art. Es juckt. Es brennt. Wärest du an meiner Stelle, würdest du meinen, mit einem Glas Wasser in der Hand zu verdursten . Wo hast du überhaupt gesteckt?« Erneut produzierte er einen gekünstelten Heiterkeitsausbruch. »Wie konnte ich dich nur übersehen? Wie heißt du?«
    »Und du?«
    Er unternahm einen linkischen Versuch, sich vom Boden hochzustemmen. Es mißlang. Unweit eines Fensters fand er sich damit ab und blieb mit dem Rücken gegen die Wand sitzen.
    Offenbar hatte er den Polizisten von diesem Zimmer aus die Sache mit den Geiseln diktiert, und vermutlich war ihm selbst in seinem Zustand nicht verborgen geblieben, daß es von hier aus keinen Weg mehr in die Freiheit gab.
    Höchstens ins Gefängnis.
    Sehr viel wahrscheinlicher als dies war es jedoch, daß ihm die Kugel eines Scharfschützen das Rückgrat zerschmetterte und ihn einäscherte.
    »Mein Name ist Hyram.«
    »Sind alle aus deiner Sippe so . durstig wie du geworden, Hy-ram?«
    Er nickte übereifrig. »Ja. O ja. Trinken. Ich platze vor Blut. Aber meine Kehle ist trocken. Mein Gefühl fordert mehr. Immer mehr ...«
    »Gefühl? Einer wie du hat keine Gefühle - und am wenigsten verdient er Mitleid, Hyram, das wirst du verstehen ...« Sie war nur noch drei Schritte von ihm getrennt.
    Der Mann, der auf der anderen Zimmerseite auf dem Boden kauerte, nahm immer noch keine erkennbare Notiz von ihr. Trotzdem fragte sie: »Wer ist das? Warum hast du ihn noch nicht leergetrunken?«
    »Ich habe ihn mir aufgehoben. Ab und zu darf er ein paar Worte hinausplärren, damit sie mich noch ein bißchen in Ruhe lassen. Er ist mein letztes Pfand.
    Aber wie heißt du?

Weitere Kostenlose Bücher