Der Atem Manitous
Bitte, ich liebe Namen. Es kommt auf den Namen an ... Sag ihn mir!«
»Wenn du unbedingt willst.« Lilith lächelte. »Du hast meinen Namen sicher schon gehört. Ich heiße Lilith Eden. Der Zwitter. Der Bastard. Der Wechselbalg. Mein Name ist ein Schimpfwort unter deinesgleichen, nicht wahr?« »Lilith Eden ...« Hyrams Gesichtsausdruck machte deutlich, daß er um ihre Rolle wußte. Alle künstliche Heiterkeit war daraus gewichen.
»Nun, die Zeiten ändern sich, Hyram«, fuhr Lilith fort und machte einen weiteren Schritt. »Bald werden nicht mehr viele da sein, die auf meinen Namen spucken können.«
Hyram starrte sie an. Aber er empfand keine Furcht. Warum auch? Höchstens Bedauern, daß ausgerechnet die Verfluchte es sein würde, die seiner Existenz ein unrühmliches Ende setzte.
»Wer weiß - vielleicht wirst du sogar dem Schöpfer gegenübertreten«, sagte Lilith. »Aber sei gewiß: Es wird kein angenehmes Treffen.«
Und mit diesen Worten warf sie sich auf ihn.
Der Wahnsinn machte ihn stark.
Trotzdem hatte er keine Chance. Weil Lilith es so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte.
Vielleicht hätte man das, was sie hier praktizierte, als eine Abart humanitärer Sterbehilfe bezeichnen können. Immerhin erlöste sie ein Monster, dem das Ende ohnehin schon ins Gesicht geschrieben stand. Die Qual grinste aus jeder einzelnen Falte, die sich im laufe der Wochen in Hyrams Züge gegraben hatte.
Eine Landkarte der Zeit. Der sichtbare Beweis, daß es Unsterblichkeit nicht gab. Irgendwo endete jeder Weg aus diesem oder einem anderen Grund.
Das tote Mädchen auf seinem Schoß behinderte sie ein wenig. Doch er schleuderte es selbst von sich, um sich dem Angriff zu erwehren.
Ein Reflex, der klarmachte, daß er immer noch an seiner Existenz hing. Daß er nicht aufgeben würde, bis sein vergreister Körper unter der Gewalt, die Lilith ihm antat, zerbrach.
Oder daß er nicht wollte, daß ausrechnet sie ihn tötete.
Liliths Zähne fanden den Weg in seinen schrumpeligen Hals.
Bohrten sich hinein und infizierten ihn mit dem Keim - mit Liliths Keim, der sich grundlegend von dem unterschied, was Hyram und andere Vampire übertrugen.
In dem Moment, da er sich in Hyrams Blut entfaltete, war der unersättliche Vampir ihr verfallen.
Lilith hätte alles von ihm verlangen können - aber sie wollte nur eines von ihm: »Wo finde ich das Oberhaupt eurer Sippe? Weißt du es?«
Ein Schwall schwarzen Blutes quoll über Hyrams Lippen, während er sie mit nachtschwarzen Augen ansah.
»Ja. Er hält sich ...« Hyram hustete. Spuckte noch mehr Blut. Aber das war es nicht, was ihn hinderte, weiterzusprechen.
Aus den Augenwinkeln heraus registrierte Lilith eine Bewegung. Doch es war schon zu spät, das Folgende zu verhindern. Hyram wurde ihr förmlich aus dem Arm gerissen.
»Verräter!« klirrte eine Stimme.
Hyrams Mund blieb stumm. Die einzige, dem er noch geantwortet hätte, wenn ihm die Zeit geblieben wäre, war Lilith. Aber seine Uhr war abgelaufen. Endgültig.
Zwei Meter von Lilith entfernt wurde ihm von dem, der ihn so unwiderstehlich mitgerissen hatte, der Nackenwirbel gebrochen und das Gesicht auf den Rücken gedreht. Der Wahnsinn konservierte sekundenlang ein jenseitiges Lächeln auf Hyrams Zügen.
Dann wurde er fallengelassen.
Lilith rührte sich noch immer nicht. Ihr Blick schien die aus dem Nichts erschienene Gestalt fixieren zu wollen.
»Wenn du wirklich so scharf darauf bist, den Begründer der Ban-gor-Sippe zu finden, Bastard«, höhnte der Unbekannte, »ist es dir hiermit gelungen!«
*
Während Hyram von derselben Magie verzehrt wurde, die ihn einst getauft und aus dem ersten Tod zurückgeholt hatte, schlenderte sein Oberhaupt scheinbar beiläufig zu dem apathischen Menschen, den Hyram sich als >Notration< und Faustpfand aufgehoben hatte.
Lilith war noch zu sehr damit beschäftigt, ihre Überraschung zu verdauen, um vorauszuahnen, was der Vampir vorhatte.
Blitzschnell bückte er sich und wickelte die Faust um den Hemdkragen des Opfers. Dann riß er ihn ebenso brutal in den Stand und hielt ihn wie einen Schild zwischen sich und Lilith.
»Ich habe von dir gehört, Wechselbalg!« schnarrte er. »Du hast schon an vielen Orten für die Dezimierung unserer Rasse gesorgt -schon damals, als man es noch ein stolzes Volk nennen durfte!
Das ist vorbei. Die Stolzen sind nur noch ein verschwindend kleiner Rest. Die meisten saufen Blut ohne Sinn und Verstand. Saufen, bis ihre morschen Knochen nachgeben ... Wie
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