Der Atem Manitous
auf sie .
Obwohl sie den Schuß gerade noch verhindern konnte, indem sie den Blick des Polizisten suchte und ihn auf die Stelle bannte, war ihr klar, daß der nächste Cop bereits schneller als sie sein konnte.
Ohne es eine Sekunde länger darauf ankommen zu lassen, floh sie nach oben, Richtung Dach.
Und noch ein gutes Stück darüber hinaus .
*
Als Lilith ihr Hotelzimmer betreten und die Tür hinter sich geschlossen hatte, lehnte sie sich erst einmal dagegen und schloß die Augen.
Atmete durch.
Auf diese Weise gelang es ihr, das kaleidoskopische Wirrwarr in ihrem Kopf zu ordnen und wenigstens annähernd zu verarbeiten.
Welch ein extremes Leben sie führte ...
... und was für ein einsames.
Bevor die Vergangenheit und die darin verschwundenen Freunde sich mit Nachdruck in ihre Depression mischen konnten, um sie noch mehr herabzuziehen, verdrängte sie die Erinnerung mit aller Macht.
Mit schnellen Schritten ging sie zum Fernseher und schaltete ihn ein. Es war ihr egal, welches Programm gerade lief; Hauptsache, es erweckte die Illusion eines Beisammenseins mit anderen.
Mit normalen Menschen.
Ohne hinzuschauen, ließ sich Lilith von den Stimmen einlullen. Sie wechselte in das kleine Badezimmer, trat unter die Dusche und drehte das Wasser auf, ohne die Kleidung abzulegen.
Die Kleidung legte sich selbst ab. Rollte sich zusammen zu einem schmalen Gürtel, der sich um ihre Taille schlang.
Lilith beachtete auch diesen Vorgang kaum. Sie ließ das Wasser auf ihr Gesicht prasseln und gab sich der Illusion hin, mehr für sich tun zu können, als oberflächlichen Schmutz abzuwaschen.
Die Ereignisse hatten mehr befleckt als ihre Haut.
Wieder einmal.
Eine Katharsis wäre ihr jetzt gerade recht gekommen. Eine Reinigung ihrer Gott verpfändeten Seele .
WIE SIE DIESES LEBEN HASSTE!
Sie hob die Hand und starrte auf das Tattoo.
Es wirkte unverändert. Natürlich.
Hunderte, vielleicht Tausende von Vampiren würden das Strafgericht, das über ihre Rasse gekommen war, überstehen. Sie alle mußte Lilith ausfindig machen und daran hindern, weiteres Leid über die Menschen zu bringen.
Eine schier unlösbare Aufgabe.
Aber die einzige Möglichkeit, so hatte sie erfahren, um selbst für alle Zeit vom Fluch des Blutes erlöst zu werden.
Irgendwann würde es soweit sein.
Es war nicht gut für ihr Seelenleben, an Tagen wie diesen über die Lösbarkeit ihres Auftrags nachzudenken.
Sie duschte noch minutenlang. Heiß - kalt, immer im Wechsel.
Danach trocknete sie sich ab, hüllte sich in das Badetuch ein und ließ sich vor den Fernseher auf der Couch nieder, um zu warten, daß es dunkel wurde.
Das Programm erwies sich als das perfekte Schlafmittel.
Lilith schaffte es nicht einmal mehr bis ins Bett ...
*
Das Bersten einer Glasscheibe in unmittelbarer Nähe ließ sie unvermittelt aus dem Schlummer hochfahren. Winterliche Kälte wehte ins Zimmer.
Es dauerte Sekunden, um sich zu orientieren.
Sie lag immer noch auf der Couch.
Und Gefahr war im Verzug! Vampire .?
Die Schlaftrunkenheit lähmte Lilith. Die Reaktionsbereitschaft ihres Körpers war empfindlich verzögert .
Etwas kam durch das zerbrochene Zimmerfenster. Höllisch schnell. Und es hatte eine so unerwartete Form, daß Lilith im ersten Moment glaubte, ein Trugbild zu sehen.
Ein . Adler?
Vorschnell war Lilith bereit, aufzuatmen. Die Assoziation war einfach zu verführerisch: keine Fledermaus - kein Feind ...
Der einzige Schönheitsfehler daran war, daß es offenbar nicht stimmte. Innerhalb einer Sekunde hatte der Vogel sie erreicht und war hart gegen ihren Brustkorb geprallt, noch ehe sie überhaupt richtig zum Stehen gekommen war.
Und in diesem Tempo - viel zu schnell für ihre verzögerten Reaktionen - ging es weiter.
Der Adler war kein Adler. Im Moment des Zusammenstoßes verwandelte er sich und warf Lilith zurück auf das Sofa. Das Badetuch löste sich und fiel zu Boden. Nackt (schutzlos!) wurde Lilith in die Polster geschleudert.
Das Gesicht, das vor ihr zu voller Größe explodierte, kam so überraschend, daß sie erneut eine wertvolle Sekunde verlor.
Vielleicht war dieses Gesicht - die Augen, die sie anstarrten - auch einfach zu irritierend schön, um etwas Schlechtes darin zu entdecken.
Aber dann krachte die Faust des Indianers gegen ihre Schlafe und machte Lilith klar, daß sie sich wieder einmal geirrt hatte.
Sie stürzte in ein tiefes, tiefes Loch
*
... und tauchte nach unbestimmter Zeit wieder daraus empor.
Die vordergründige Triebfeder,
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