Der Atlantik - Biographie eines Ozeans
Amerikaner bei. U-Boote versenkten im Lauf des Jahres 1917 eine riesige Zahl alliierter Schiffe. Doch dann begannen die verschiedenen Maßnahmen der Briten und Amerikaner – wie die Einführung von Geleitzügen und der Einsatz der neu entwickelten Wasserbomben und anderer Unterwassersprengkörper – Wirkung zu zeigen, und die Gefahr durch die U-Boote nahm langsam ab.
Im Zweiten Weltkrieg vermochte man nicht in vergleichbarer Weise mit der deutschen U-Boot-Waffe fertig zu werden, weil die Strategien der Oberkommandierenden der Kriegsmarine inzwischen wesentlich ausgefeilter geworden waren, die Reichweite der Boote sich vergrößert hatte, ihre Bewaffnung stärker geworden war und die Fertigungsraten der Werften ein außergewöhnlich hohes Niveau erreicht hatten. Mehrere Jahre lang sahen sich die Alliierten mit der Ausschaltung der U-Boote einer nicht zu bewältigenden Aufgabe gegenüber. Im März 1940 erklärte Winston Churchill den Kampf zwischen den Kriegsschiffen der Royal Navy und der U-Boot-Armada von Admiral Karl Dönitz zur neuen »Schlacht im Atlantik«, und in späteren Jahren bestätigte er deren Bedeutung: »Die Schlacht im Atlantik war den ganzen Krieg hindurch der ausschlaggebende Faktor«, erklärte er. »Nicht einen Augenblick lang konnten wir vergessen, dass alles, was auf dem Land, auf dem Meer und in der Luft geschah, letztlich vom Ausgang dieser Schlacht abhing, und inmitten aller anderen Auseinandersetzungen beobachteten wir das wechselnde Kriegsglück [in dieser speziellen Auseinandersetzung] Tag für Tag voller Hoffnung und Befürchtungen.«
Deutschlands Strategie bestand darin, im Atlantik einen »Tonnagekrieg« zu führen; seine Rechnung war einfach. Immer mehr U-Boote wurden bei den Werften in Auftrag gegeben – 1939 hatte Dönitz siebenundfünfzig geordert, 1942 stieg diese Zahl auf dreihundertzweiundachtzig –, und immer mehr »Wolfsrudel« gingen auf Feindfahrt. Eine Schlinge begann sich um die atlantischen Zufahrtswege nach Großbritannien zuzuziehen – Nacht für Nacht zeigten Explosionen und hoch aufschießende Flammen von brennendem Öl an, wo ein weiterer schwerfällig voranstampfender Frachter oder Tanker von einem Torpedo getroffen worden war: So schien die Möglichkeit einer Strangulierung Großbritanniens dadurch, dass es auf See von jedem Nachschub abgeschnitten wurde, eine Zeit lang nur allzu real.
Die Deutschen bewiesen Sinn für grotesken Humor, indem sie diese Phase des Krieges »die glückhafte Zeit« nannten.
Doch dann bildete sich das Konvoi-System aus: Eine große Zahl von Schiffen schloss sich in den flachen Gewässern vor Halifax 41 zu einem Verband zusammen und trat, wie eine Herde Schafe gehütet und beschützt von Geleitschiffen, die immer stärker bewaffnet wurden, die Fahrt über den Atlantik an. Langsam, sehr langsam begann die Bedrohung durch die U-Boote geringer zu werden. Bald fuhren die Geleitzüge auch auf anderen Routen über den Atlantik: von New York nach Gibraltar, von Port of Spain nach Freetown, von Natal in Brasilien nach Gibraltar, von Freetown zum River Clyde. Wenn auch die einzelne Konvois betreffenden Geschichten allzu oft von Heroismus im Angesicht von Tragödien kündeten, wurde im Mai 1943 eine Wende in dieser »Schlacht im Atlantik« eingeleitet.
Der Grund dafür war, dass endlich alliierte Flugzeuge in ausreichender Zahl verfügbar waren – die entweder von Flugfeldern an Land aus operierten oder von Trägern, die mit den Geleitzügen mitliefen. Sie schufen einen Schirm, in dessen Schutz die Schiffe langsam ihrem Ziel entgegensteuern konnten. Zwar wurden bis zum letzten Tag des Krieges weiter Schiffe versenkt und Menschen getötet, doch den U-Booten gelang es nicht, Großbritannien in die Knie zu zwingen. Es gelang ihnen nicht, das Herbeischaffen von Materialien zu verhindern, ohne die die Landung der Alliierten in der Normandie nicht vonstatten hätte gehen können, und sie konnten auch nicht die Kapitulation Großbritanniens erzwingen. Insgesamt wurden dreitausendfünfhundert Handelschiffe und fast zweihundert Kriegsschiffe der Alliierten von U-Booten versenkt; dem stehen aber auch hohe Verluste der Deutschen gegenüber: Fast achthundert Boote gingen verloren. Die sterblichen Überreste von sechzigtausend jungen Seeleuten liegen am Grund des Atlantischen Ozeans. In dem sechs Jahre währenden Zweiten Weltkrieg haben mehr Menschen auf diesem Ozean das Leben verloren als in allen bewaffneten Auseinandersetzungen, die auf ihm
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