Der Atlantik - Biographie eines Ozeans
stattgefunden haben, seit das römische Expeditionskorps sich zur Invasion der Britischen Inseln auf Boote begab.
Heute sehen Schlachten auf dem Atlantik anders aus. Kein Schiff bekämpft mehr ein anderes, es werden keine Breitseiten mehr meilenweit über die leere See hinweg auf stählerne Schiffswände abgefeuert, es werden keine Schiffe mehr gebaut, die andere mit dem Rammsporn zerstören sollen; und Kommandanten verlangen nicht mehr, dass man sich an uralte Regeln ritterlichen Verhaltens hält, etwas, das man für absolut notwendig erachtete, solange man den Austragungsort dieser Kämpfe, das Meer, als den letztlich mächtigsten Gegner ansah. Hightech hat die alten Sitten und Bräuche hinweggefegt; Seekrieg wird heute auf eine viel nüchternere, pragmatischere Weise geführt. Ranghohe Offiziere nehmen innerhalb ihrer jeweiligen Kriegsmarinen eine Art Managerposition ein. Die Romantik ist fast ganz dahin.
Der letzte Konflikt auf dem Atlantik, der noch etwas von den Schlachten bei Trafalgar und am Skagerrak sowie vom »Glorious First of June« an sich hatte, war vielleicht der, den die Briten 1982 ausfochten, als Argentinien sich die Souveränität über die Falklandinseln anmaßte. Da dieser Krieg der Sicherung der fernen Kolonie eines alten Inselreichs galt, war er von ein wenig Romantik umgeben und ließ die Erinnerung an die tollkühnen Aktionen eines Nelson und anderer Helden der Royal Navy wach werden.
Die Gründe, die offiziell dafür genannt wurden, weshalb man einen Krieg um die Falklands führte, sind von vielen nie ganz akzeptiert worden, doch das Heroische, Romantische und auch Schmerzliche an so vielen Ereignissen, zu denen es während der dreimonatigen Kampfhandlungen kam, hat viele alte Marineveteranen zutiefst bewegt. Und das tragische Schicksal der HMS Sheffield , von dem am Beginn dieses Kapitels berichtet wurde, ist eines der ergreifendsten dieser Ereignisse.
Die Versenkung des argentinischen Kreuzers General Belgrano Anfang Mai 1982 blieb bis dato der letzte Einsatz von Torpedos auf dem Atlantik, der Menschenleben kostete. Das Schiff, ein für die US-Navy in Brooklyn gebauter alter Kämpe aus dem Krieg gegen die Japaner im Pazifik, war einige Jahre zuvor an Argentinien verkauft worden; zur Zeit seiner Versenkung war es mit zwei Geleitzerstörern auf der Rückfahrt zu seinem Heimathafen Ushuaia auf Feuerland, nachdem es südlich der Falklands patrouilliert hatte. Der kleine Verband wurde vom britischen Atom-U-Boot HMS Conqueror entdeckt, das zwei Torpedos älterer Bauart in die Backbordflanke des Kreuzers jagte. Einer zerfetzte seinen Bug, der andere traf ihn mittschiffs, zerstörte seine elektrischen Systeme, ließ Wasser eindringen, löste Brände aus und tötete Dutzende Matrosen. Das große Schiff bekam schwere Schlagseite nach Backbord – und kurze Zeit später schlugen die Wogen über ihm zusammen. Mehr als dreihundert argentinische Seeleute verloren ihr Leben, was eine erregte Debatte darüber auslöste, ob diese Aktion von britischer Seite aus gerechtfertigt gewesen sei.
HMS Conqueror kehrte einige Wochen später zu ihrem Heimatstützpunkt in Schottland zurück. Wenn man bedenkt, dass ein großer Teil der modernen Seekriegsstrategien seinen Ursprung in den Kämpfen mit Atlantikpiraten während des 17. Jahrhunderts hatte, könnte man es als Ironie ansehen, dass das U-Boot, als es auftauchte und über das Seeloch seiner Anlegestelle entgegeneilte, den Jolly Roger, die gefürchtete Piratenflagge mit dem Totenschädel und den gekreuzten Knochen, von seinem Periskop flattern ließ – mit ihr tun Schiffe der Royal Navy auf See und in Häfen befreundeter Länder immer noch jeden größeren Erfolg im Kampf mit dem Gegner kund.
9. Was kein U-Boot-Fahrer ahnen konnte
D ie Kriege auf dem Atlantik hatten viele Folgen; zu den unerwartetsten zählte etwas, das den Ozean, wenn auch nur rein gedanklich, mit der Gründung eines Staates, der weit von seinen Ufern entfernt liegt, in Zusammenhang bringt. Diese Staatsgründung schloss sich an eine Reihe von Ereignissen an, die im Herbst 1915 ihren Anfang nahmen. In dieser Zeit bereitete es der Royal Navy besondere Probleme, eine größere Zahl von erbarmungslosen Angriffen durch deutsche U-Boote abzuwehren – wofür nicht ein Mangel an Kriegsschiffen oder an politischer Entschiedenheit der Grund war, sondern es war sozusagen eine Sache der Chemie, will sagen: Die Geschützmannschaften der Royal Navy verfügten nicht über ausreichende Mengen des als
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