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Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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versenken, nachdem das neutrale Uruguay den Kommandanten aufgefordert hatte auszulaufen, bevor die Schäden, die die Spee bei Kämpfen mit britischen Einheiten davongetragen hatte, so weit hatten beseitigt werden können, dass sie wieder einsatzbereit war.
    © STR/Getty Images
    8. Der Feind in der Tiefe
    E ine weitaus größere Gefahr als die Graf Spee und alle anderen Überwasserkampfschiffe stellten auf dem Atlantik jedoch fast im gesamten 20. Jahrhundert und vor allem während beider Weltkriege die Unterseeboote dar. Nur ganz zu Anfang dieser Zeit war das nicht so. Zwar waren Unterseeboote schon lange vor dem Ausbruch des Großen Kriegs erfunden worden – das allererste wurde im 17. Jahrhundert in England gebaut, das erste deutsche im Jahr 1850, und die deutsche Kriegsmarine stellte erstmals 1905 eines in Dienst –, und es lag nahe, dass man diese Boote in einem Seekrieg am sinnvollsten wie aus einem Versteck heraus zuschlagende Heckenschützen einsetzte, doch erwies man mit der Art und Weise, in der man sie anfangs operieren ließ, noch den altmodischen, »ritterlichen« Vorstellungen von bewaffneten Auseinandersetzungen auf dem Meer Respekt.
    Es hatte nie ein Zweifel daran bestanden, dass Deutschland seine kleine, aber ständig wachsende Flotte von U-Booten als Handelsstörer einsetzen und mit ihren Torpedos so viele Schiffe, die mit Nachschub für Großbritannien den Atlantik überquerten, wie möglich versenken lassen würde. Als Inselstaat konnte Großbritannien nur auf dem Seeweg versorgt werden, und die Aktionen der Deutschen zielten darauf ab, die britische Wirtschaft zu lähmen, die Bevölkerung auszuhungern und das Land so in die Knie zu zwingen. Doch zu Beginn hielt man sich bei den Aktionen noch an Regeln, die in 1856 in Paris und dann später, 1899 und 1907, in Den Haag unterzeichneten Abkommen niedergelegt worden waren. Sie bezogen sich auf den sogenannten Prisenkrieg, das Aufbringen oder die Zerstörung von Handelsschiffen auf hoher See. Allen diesen Vereinbarungen zufolge sollten beispielsweise Passagierschiffe nie angegriffen und die Besatzungen von Frachtern aus der Gefahrenzone entfernt werden, bevor man ihr Schiff ausplünderte und versenkte (sie in Rettungsboote steigen zu lassen wurde nur dann als sinnvoll erachtet, wenn Land in Sicht war, ansonsten mussten sie an Bord des angreifenden Schiffs genommen werden). Außerdem sollte vor Beginn des Angriffs eine formelle Warnung an das Handelsschiff ergehen.
    Diese Regeln waren jedoch für Überwasserkampfschiffe – im Grunde sogar noch für Segelschiffe – aufgestellt worden, nicht für U-Boote. Und die Kommandanten von U-Booten mussten sie natürlich als absurd ansehen. Der Erste, der darauf hinwies, dass ein Unterseeboot sich kaum auf dieselbe Weise verhalten konnte wie ein Segelschiff, war Jacky Fisher, der britische Admiral. Auf einem Unterseeboot befanden sich weder genug eigene Leute, noch gab es in ihm genügend Platz, um die Mannschaft eines feindlichen Handelsschiffs aufnehmen zu können. »Einem U-Boot bleibt nichts anderes übrig«, sagte Fisher, »als seine Prise zu versenken.«
    Churchill widersprach dieser Ansicht, indem er eine für ihn uncharakteristisch rückwärtsgewandte Haltung einnahm. Er meinte, die bei der Marine seit alters her üblichen Regeln des Anstands über Bord zu werfen, sei barer Unsinn; keine zivilisierte Macht, grummelte er, könne, solle und werde jemals etwas Derartiges tun. Und in den ersten Kriegsmonaten schien er tatsächlich recht zu behalten: Die Kommandanten auf beiden Seiten – solche von U-Booten eingeschlossen – benahmen sich so, wie es sich seinem Dafürhalten nach gehörte. Während deutsche U-Boote jedes englische Kriegsschiff torpedierten, das ihnen vor die Rohre kam (und Kriegsschiffe brauchte man nicht zu warnen), stiegen sie jedes Mal, wenn sie ein Handelsschiff entdeckten, an die Oberfläche, forderten die Besatzung auf, von Bord zu gehen, versenkten es mit der Bordkanone und tauchten dann wieder in die Tiefe. Rein militärisch betrachtet war es ein ziemlich ineffektives Vorgehen – nicht zuletzt deswegen, weil das aufgetauchte Boot selbst ein Ziel für Angriffe bot. Der Versuch, auch im U-Boot-Krieg an einem chevaleresken Verhaltenscode festzuhalten, hatte zur Folge, dass die Briten anfangs nur wenige Schiffe verloren, was sich kaum auf die Wirtschaft des Landes auswirkte.
    Doch dann kam der 7. Mai 1915, und alles erfuhr eine plötzliche und schreckliche Wende. Das war nämlich der

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