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Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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den Warnungen, die beharrlich von Priestern und Sehern ausgesprochen wurden, muss das so viel Wagemut erfordert haben wie eine Reise ins Weltall.
    Im Konvoi, was sicherer und angenehmer war, segelten also die ersten Seefahrer zwischen den die Meerenge bewachenden Felsenmassiven, Gibraltar im Norden und Dschebel Musa im Süden, hindurch, arbeiteten sich langsam, anscheinend ohne dass es zu irgendwelchen Zwischenfällen kam, an der iberischen Küste entlang weiter vor. Da die äußeren Umstände günstiger waren, als sie gedacht hatten – sie konnten immer in Sichtweite des Landes bleiben und mussten sich nicht aufs offene, tiefe Meer hinauswagen –, richteten sie die am Ozean gelegenen Handelsstationen ein, die für die nächsten vier Jahrhunderte in phönizischer Hand bleiben sollten. Die erste war Gades, das heutige Cádiz, die zweite Tartessos, seit Langem von der Erdoberfläche verschwunden – vielleicht mit dem biblischen Tharsis 9 identisch und von Aristophanes in seinen Die Frösche erwähnt. Man glaubt, dass Tartessos ein wenig weiter nördlich lag als Gades, in der Nähe des heutigen Huelva an der spanischen Atlantikküste.
    Von diesen beiden Handelsposten aus begannen die Matrosen der phönizischen Handelsmarine ihre Hochseesegeltechniken zu vervollkommnen. Von ihnen aus brachen sie erstmals zu ihren langen und gefahrvollen Reisen auf, die die Vorläufer für alle Erkundungsfahrten in diese Regionen des Ozeans im Verlauf der folgenden zwei Jahrtausende darstellten.
    Ursprünglich waren sie um des Zinns willen hierhergekommen. Doch wenn auch der Handel mit dem Metall weiter florierte und die Kaufleute schließlich seinetwegen bis nach Cornwall und in die Bretagne, ja vielleicht sogar in noch fernere Regionen vordrangen, war es ihre Entdeckung der wunderschönen Murexschnecken, die den Hauptimpetus für ihre Erforschung der nordafrikanischen Atlantikküsten lieferte.
    Auf das Besondere, das geradezu Zauberhafte an diesen Mollusken waren schon siebenhundert Jahre zuvor die Minoer aufmerksam geworden. Sie hatten herausgefunden, dass man, mit Geduld und einiger Mühe, aus diesen Tieren größere Mengen einer Flüssigkeit von sattem und niemals verblassendem Purpurrot gewinnen konnte: Es war ein so prächtiger Farbton, dass die minoische Aristokratie ihn für ihre Kleidung wählte. Das Färbemittel war kostspielig, und es gab Gesetze, die es den niederen Klassen verboten, es ebenfalls zu verwenden. Purpur wurde für die Minoer, die Phönizier und vor allem für die Römer schnell zur Farbe der Autorität. Man wurde in Purpurgewänder hineingeboren: Jemand, der so gekleidet war, konnte nur zur großen römischen Herrscherkaste gehören, zu den, wie das Oxford English Dictionary es formuliert, »Kaisern, ranghohen Verwaltungsbeamten, Senatoren oder zur Klasse der Ritter im antiken Rom«.
    Im 7. Jahrhundert v. Chr. begab das Seefahrervolk der Phönizier sich von seinen zwei Handelsniederlassungen in Spanien aus konsequent auf die Suche nach den Mollusken, die den Farbstoff ausschieden. An der spanischen Küste, weiter im Norden, fanden sie nur wenige Exemplare der Schnecken, doch als sie sich dann nach Süden wandten und dicht an den niedrigen sandbedeckten Klippen des nördlichen Afrika entlangsegelten, wo das Wasser immer wärmer wurde, stießen sie auf eine Fülle von Murexkolonien. Auf diesen Erkundungsfahrten ankerten sie immer in Buchten, in denen ihre Schiffe möglichst gut geschützt waren. Auf diese Weise entstanden neue Häfen und Siedlungen. Die erste Gründung dieser Art war Lixus in der Nähe von Tanger, in den Ausläufern des Rifgebirges. Heute gibt es dort noch ein – schlecht konserviertes – Mosaik vom Meergott Ozeanus, das anscheinend von griechischen Künstlern angefertigt wurde.
    Anschließend drangen die Phönizier weiter nach Süden vor und entdeckten in einer Flussmündung nahe dem heutigen Rabat neue Güter, mit denen sich Handel treiben ließ. In heute noch florierenden Küstenorten wie Azemmour legten sie Lager an, in denen Soldaten stationiert wurden. In Schiffen mit übermäßig hochgezogenen Bug- und Heckpartien, deren Steven mit Pferdeköpfen verziert waren und die deswegen hippoi hießen, wagten sie sich immer weiter von ihren Heimatgewässern fort, bis sie schließlich auch bei den Inseln anlangten, die man später Mogador nennen würde. Dort kamen die Gastropoden in Hülle und Fülle vor. Dieses der Mündung des Flusses Oued Ksob schützend vorgelagerte Inselpaar markiert

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