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Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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hohen Wellengang berüchtigte Trichtermündung des Sankt-Lorenz-Stroms zum nordamerikanischen Kontinent hin überquerten, schließlich auf Gaspé oder Cape Breton Island an Land gingen und dann entweder stromaufwärts fuhren oder sogar auf dem Landweg weiterzogen, um üppigere Weidegründe und nahr- oder schmackhaftere Wildfrüchte ausfindig zu machen. Die Tatsache, dass Neubraunschweig auch die nördlichste Region ist, in der wilder Wein wächst, lässt es noch glaubwürdiger erscheinen, dass die Nordmänner sie als »Vinland«, also »Weinland«, bezeichneten.

    An der äußersten nördlichen Spitze Neufundlands wurden 1960 diese mit Grassoden gedeckten Steinbehausungen entdeckt, die vermutlich zu Beginn des 11. Jahrhunderts erbaut wurden und den ersten konkreten Beleg dafür liefern, dass Norweger schon lange vor der »Entdeckung« des Kontinents in Nordamerika siedelten.
    © Fotografie von Gregory Howard
    In jüngster Zeit hat man möglicherweise eine zweite Wikingersiedlung entdeckt, die flächenmäßig kleiner als die bei L’Anse aux Meadows ist. Archäologen, die 2000 an der Südspitze von Baffin Island gruben, sind der Meinung, alles an den von ihnen freigelegten Steinmauern sowie ein Spaten aus Walbein und ein primitives System zur Ableitung häuslicher Abwässer deuteten darauf hin, dass es sich um das Werk von Nordmännern handelt. Mit ihnen im Widerstreit liegende Wissenschaftler tun dies als reines Wunschdenken ab und beharren darauf, dass es lediglich ein Indiz für die Weiterentwicklung der Inuit der Dorset-Kultur ist, von denen man weiß, dass sie diesen Teil der subarktischen Region bewohnt haben. Diejenigen, welche die These unterstützen, dass es sich um eine Niederlassung von Nordeuropäern handelt, sind der Ansicht, dass die sich an die Wikingerboote anlehnenden knorren dieser Kolonisten für eine weit längere Zeit, als man gemeinhin annimmt, zwischen Siedlungen von Nordmännern auf Neufundland, Labrador und den Inseln in der Hudson Bay hin und her fuhren; es sei borniert und irrig anzunehmen, alle Europäer seien bald nach Grönland oder Norwegen zurückgehuscht und hätten sich jahrhundertelang nicht mehr in Kanada blicken lassen.
    Bleibt noch ein faszinierendes historisches Faktum nachzutragen. 1004 wurde in Vinland ein Junge geboren, das Kind von Gudrid und Thorfin Karlsefni, den man Snurri nannte. Nach isländischem Brauch – dem man heute noch folgt – erhielt der Knabe einen Nachnamen, der sich vom Vornamen des Vaters ableitete: Er hieß also Snurri Thorfinsson und war zweifelsohne der erste jemals auf amerikanischem Boden geborene Europäer. Da er mit seinen Eltern nach Grönland zurückfuhr, falls und als der Vorposten bei L’Anse aux Meadows um 1008 wieder aufgegeben wurde, starb er vermutlich dort oder auf dem europäischen Kontinent – bis zum Ende seiner Tage nicht ahnend, dass man seiner einmal als des ersten gebürtigen Kanadiers europäischer Herkunft gedenken würde.
    8. Reputationen
    W ie soll die Geschichtsschreibung alle diese atlantischen Unternehmungen der Nordmänner einschätzen, wenn man sie mit der viel berühmteren Ozeanüberquerung vergleicht, die fünf Jahrhunderte später Christoph Kolumbus gelang?
    Die Erkenntnisse der Archäologen wie auch die gesamte Literatur scheinen in der Tat zu belegen, dass es in der Zeit zwischen den Vorstößen der Erikssons über die Labradorsee im Jahr 1001 und der sechswöchigen Fahrt des selbsternannten Admirals der Meere von Andalusien nach San Salvador im Spätsommer 1492 keinem anderen Seefahrer gelang, den amerikanischen Kontinent zu erreichen. 13 Doch wenn auch die beiden Fahrten zunächst einmal genau das gleiche Ergebnis zeitigten – dass sich nämlich Europäer an der amerikanischen Küste festsetzten –, gibt es doch viele Unterschiede zwischen ihnen.
    Von Bergen bis nach Neufundland sind es 4500 Meilen, Leif Eriksson musste aber keine so gewaltige Strecke zurücklegen, weil er von Grönland aus aufbrach, das weniger als tausend Meilen von Neufundland entfernt ist. Was nicht bedeutet, dass diese kurze Fahrt ein Zuckerschlecken war. Die See friert zwar nicht zu, doch das Wetter ist grässlich und das Meer voller Eisschollen und -berge, vor allem auch von jenen besonders gefährlichen halb unter der Wasseroberfläche verborgenen Brocken, die man – nicht sehr fantasievoll – als bergy bits bezeichnet. Die Stürme, in die Eriksson geriet, waren außergewöhnlich heftig und bliesen fast immer vom Westen oder Nordwesten

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