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Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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her, also den Seefahrern entgegen. Sie waren so wild, dass die kleine knorr stundenlang, ja manchmal tagelang beigedreht liegen bleiben musste. Masten brachen, Segel gingen in Fetzen, jedermann an Bord war bis auf die Haut durchnässt und unterkühlt. Sogar im Sommer waren die Bedingungen miserabel: Klamme Nebel und das im hohen Norden scheinbar endlos währende Tageslicht – das sich störend auf den Schlaf auswirkte – ließen jede längere Fahrt zu einer Tortur werden.
    Als die kleine Schar endlich Land erreichte – wo es an vielen Stellen Siedlungen der Dorset-Inuit gab –, richtete sie Stützpunkte für sich selbst ein, friedlich und unter Wahrung zumindest eines Hauchs von zivilem Benehmen – sie waren schließlich Nordmänner und keine Wikinger. Sie hatten Frauen mit auf die relativ kurze Überfahrt über die Labradorsee genommen, und es gelang ihnen, in dem fremden Land auch eine Art von friedfertigem häuslichem Leben zu begründen. Sie kamen, wie es scheint, ganz gut mit den Ureinwohnern aus, auch wenn der Name, den sie ihnen gaben, Skrälinger , so viel wie Barbaren bedeutete; das war wohl in erster Linie darauf zurückzuführen, dass die Eingeborenen sich in Felle hüllten, nicht in Kleider aus Wollgewebe wie die Europäer. Die Nordmänner weigerten sich, den Skrälingern Waffen zu überlassen, doch, wie die Sagas berichten, handelten sie mit ihnen, wobei sie als Tauschobjekte nicht irgendwelchen nutzlosen Firlefanz wie Holzperlen verwendeten, sondern ihnen Milch anboten, die den Eskimos anscheinend gut mundete.
    Summa summarum scheinen die Nordmänner durch Neugier zum Aufbruch nach Nordamerika motiviert worden zu sein; auf der Überfahrt selbst stellten sie seemännischen Mut unter Beweis, und während ihres kurzen Aufenthalts legten sie offenbar ein relativ gesittetes Verhalten an den Tag. Die wesentlich bekanntere Fahrt des Kolumbus wurde hingegen aus kommerziellen Motiven unternommen, das heißt konkret aufgrund einer wachsenden Verbitterung der Spanier darüber, dass die über Land in den Osten führenden Handelswege durch die Ottomanen blockiert waren, sowie der Annahme, dass man stattdessen in die Länder des Ostens gelangen könne, indem man in Richtung Westen und um den halben Erdball segelte. Hinzu kamen noch die Missionierungsbestrebungen der Kirche. Unter nautischen Gesichtspunkten gestaltete sich die Fahrt vergleichsweise problemlos; die Schiffe erreichten aber nicht wirklich das amerikanische Festland, und Kolumbus glaubte bis zu seinem Tod, tatsächlich den Osten, Indien und aller Wahrscheinlichkeit auch Japan erreicht zu haben.
    Mit seinen drei kleinen Schiffen, einer Karacke, der Santa Maria , und zwei Karavellen, der Niña und der Pinta , nahm er klugerweise erst Kurs auf die Kanarischen Inseln. Dann schwenkte er nach Westen ab, denn er nahm an, dass China und Japan, die Städte, die Marco Polo kennengelernt hatte, und die Inseln, wo die Gewürzpflanzen wuchsen, alle auf demselben Breitengrad lagen wie die Kanaren. Er führte seine kleine Schwadron und die rund neunzig Mann Besatzung auf eine recht angenehme Reise über ein sonnenbeschienenes Meer – ohne nennenswerten Zwischenfall. Obwohl sie vom sanften aus dem Osten wehenden Passat schnell in Richtung Westen getrieben wurden, sollte es aber eine längere Fahrt werden als alle bis dahin bekannt gewordenen; und da kein Navigator wusste, wie weit sich das Meer erstreckte, in das sie vorstießen, müssen sie Angst verspürt haben: Angst davor, über den Rand der Welt hinauszufahren und ins Nichts zu stürzen, eine Region zu erreichen, in der Stürme wüteten, denen man nicht standzuhalten vermochte, oder in der Meeresungeheuer, gewaltige Strudel, zürnende Götter auf sie lauerten.
    Doch das Glück war ihnen hold, und die drei kleinen Schiffe glitten munter über die Wogen; in den Logbüchern ist festgehalten, dass sie manchmal mehr als hundertfünfzig Meilen am Tag zurücklegten, das heißt mit einer Geschwindigkeit von acht Knoten liefen. Das ging so weiter bis zu dem Zeitpunkt, da ihnen allen vor Freude das Herz fast stehenblieb. Es geschah noch vor Tagesanbruch, an jenem 12. Oktober 1492, an den man bis heute mit Feierlichkeiten erinnert: Der Ausguck der Pinta , ein Mann namens Rodrigo de Triana, machte im Schein des Mondes einen direkt vor ihrem Bug liegenden Saum von weißen Klippen aus. Ganz unvermutet bot sich ihren Blicken eine neue Welt dar – oder die Neue Welt, wie man bald erkennen würde.
    Bei diesem ersten Stück

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