Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
Jahrhundert von Holländern als Versorgungsstation für ihre Handelsschiffe gegründete Kapstadt mit dem Tafelberg im Hintergrund.
    © Boats in marina at Victoria and Alfred Waterfront with Table Mountain in background. Cape Town, Western Cape, South Africa © Picture Alliance, Frankfurt/Lonely Planet Images
    Jede von ihnen bezaubernd, jede von ihnen alt, die meisten von ihnen von überwältigender Schönheit und alle, wie diese Stadt im Süden Afrikas, mit Anlegekais und Hafenbehörden, Trockendocks und prächtig verzierten Gebäuden und riesigen Eisenbahnterminals ausgestattet, jede von ihnen an einem Ozean liegend, den jede von ihnen auf irgendeine Art feiert, mit ihrem Aussehen, mit ihrem Klang und Geruch, mit ihrer ganzen Atmosphäre. Jedenfalls stelle ich mir diese Häfen so vor, während ich neidisch auf die Schiffe hinunterblicke, die sich, mit ihren Schrauben das Wasser aufwirbelnd, auf die Fahrt über den Ozean nach Westen machen.
    Auch die Chamarel hat die Leinen losgeworfen. Ich kann sie sehen, wie sie behutsam zwischen den Hafenmolen durchkriecht, weiß und glänzend, mit ihren beiden Schornsteinen, ihrer merkwürdigen knolligen Fledermausnase und den Trommeln mit dem Lichtwellenkabel auf dem Achterdeck. Ihr Ziel wird Angola sein, weil man von dort per Funk ein Problem gemeldet hat; vielleicht wird sie auch bei einigen der kleinen Atlantikinseln vorbeischauen, die sich in die Achselhöhle des Kontinents schmiegen – den Kapverden vielleicht oder São Tomé und Principe – und auf elektronische Verbindungen zu einer Welt angewiesen sind, die sie sonst möglicherweise ignorieren würde.
    Und dann ist da noch ein weiteres Schiff, ein kleines, gedrungenes, blau-weißes, mittlerweile schon weit jenseits der Piers, den Bug nordwärts gewandt. Es scheint einen anderen Kurs zu nehmen als die großen Frachtschiffe, einen Kurs ähnlich jenem, auf dem die alten Union-Castle-Passagierdampfer unterwegs waren, als dieser Hafen noch von den letzten großen Schiffen dieser Reederei angelaufen wurde. Mit der Präzision und Regelmäßigkeit eines Uhrwerks fuhren sie von hier nach Southampton. Um Punkt vier Uhr nachmittags an jedem Donnerstag lief einer dieser Liner aus der Table Bay aus, während ein Schwesterschiff mit Kurs Süden aus dem Solent schlüpfte. Sie begegneten einander, einen kurzen Gruß austauschend, irgendwo vor der senegalesischen Küste. »Siebzehn Tage!«, verkündeten die Werbeanzeigen in den Zeitungen. »Wöchentlicher Postdienst nach Südafrika. Näheres ist in der Fenchurch Street, No. 3, London EC3 zu erfahren.«
    Aber dieses Fahrzeug unter mir war kein grandioses Passagierschiff – keine Pendennis Castle mit lavendelblauem Rumpf und auch keine Stirling Castle oder Edinburgh Castle. Außerdem: Der allerletzte dieser Steamer, die Windsor Castle , hatte seine letzte Reise für die Gesellschaft 1977 absolviert; er hatte genau am 6. September, nachmittags um vier Uhr, in Southampton abgelegt und war siebzehn Tage später wieder in seinem Heimathafen eingetroffen.
    Nein, das da unten war kein Dampfer der Union Castle Line. Als es mir endlich gelang, mir ein Fernglas zu borgen, konnte ich das Schiff identifizieren, allerdings mit Mühe, da es bereits im nachmittäglichen Dunst zu verschwinden drohte. Der Name war in weißen Lettern auf das Heck gemalt. Es war die RMS St. Helena , ein kombiniertes Fracht- und Passagierschiff von sechstausend Tonnen mit Heimathafen Jamestown, das einzige überlebende Schiff dieser Art, das noch offiziell die Bezeichnung »Royal Mail Ship« trug. Die St. Helena steuerte nach Norden, um am Ende ihrer Reise im englischen Portland anzulegen, doch zuvor, in einer Woche, würde sie noch die winzige Insel anlaufen, deren Namen sie trug und die sie mittlerweile als einzige regelmäßig mit Nachschub jeder Art versorgte.
    Die RMS St. Helena war also an diesem warmen Herbstnachtmittag in Richtung auf ihren Heimathafen unterwegs, zu jener Stadt, die mir immer noch die schönste aller Siedlungen am oder im Atlantik zu sein scheint, Jamestown, die Hauptstadt jener Kronkolonie, in die die Briten einst den geschlagenen Empereur Napoleon in die Verbannung schickten. Es ist eine Insel, deren natürliche Schönheit bis heute nahezu perfekt erhalten blieb, weil sie nämlich bis vor Kurzem fast vollkommen vom Rest der Welt isoliert war. Sie liegt vor der Küste von Angola, inmitten einer heute so gut wie nicht befahrenen Wasserwildnis, und man benötigt per Schiff gute vier Tage, um zu

Weitere Kostenlose Bücher