Der Atlantik - Biographie eines Ozeans
assistiert, das gewaltige SAT-3-Kabel zu installieren, das die dreitausend Meilen zwischen Portugal und Kapstadt auf dem Meeresboden überbrückt; und da es häufig zu Brüchen an diesem Kabel kam, war sie jetzt nahezu pausenlos auf Patrouille, um dazu beizutragen, dass die Verbindung bestehen blieb. Kleinere Länder an der Atlantikküste wie Togo und Benin waren an dieses Kabel angeschlossen und darauf angewiesen, um nicht den Kontakt mit dem Rest der Welt zu verlieren. Die Ingenieure wollten jetzt auch halbwegs in Vergessenheit geratene Atlantikanrainer wie Gabun und Äquatorial-Guinea mit ihm verbinden, Staaten, die wohl noch für weitere Jahrzehnte von der Weltöffentlichkeit übersehen worden wären, hätten Geologen nicht kürzlich Ölvorkommen in ihren Territorialgewässern entdeckt. Wirtschaftliche Gesichtspunkte machten es erforderlich, dass auch sie Zugang zum Internet bekamen.
Ein Antarktis-Forschungsschiff war ebenfalls in unserer Nähe vertäut, mit einem orangefarbenen Rumpf und einem sanft geschwungenen Bug der Art, mit der sich Eisschollen zertrümmern ließen, »falls es noch welche gibt«, wie der deutsche Skipper, der in Colorado lebte und sich Sorgen über die globale Erderwärmung machte, düster meinte.
Ein Paar Schlepper bugsierte uns schließlich zum am weitesten innen gelegenen der Kais. Auf einem Ponton nicht weit von ihm lagen Robben, die sich die Morgensonne auf den Pelz scheinen ließen. Die einzigen nennenswerten Gebäude in Sichtweite waren der Cape Town Passenger Terminal, ein vor allem zweckmäßig wirkendes Gebäude aus edwardianischer Zeit, und ein paar viktorianische Lagerschuppen sowie Bürohäuser mit vergoldeten schmiedeeisernen Verzierungen und Gitterbalkons, von denen die meisten mittlerweile in Restaurants und Hotels umgewandelt worden waren.
Das älteste Gebäude in Kapstadt – es soll sogar das älteste in ganz Afrika sein – ist das alte holländische Kastell, das den Grundriss eines fünfzackigen Sterns aufweist. Die Wehrmauern sind ockergelb, und die ganze Anlage liegt in einem Park neben dem Hauptbahnhof verborgen. Sie geht beinahe inmitten der nichtssagenden Büro- und Wohnhäuser unter. Die einzigen Bauten von früher, denen noch kolonialer Charme anhaftet, sind die größeren Herrenhäuser und Hotels an den unteren Hängen des Tafelbergs. Um bei der Wahrheit zu bleiben: Den stärksten Eindruck hinterlassen wohl die vielen Autos, die Hochstraßen, die Kräne und die hässlichen Gebäude der sechziger Jahre. Erst wenn man sich mit der Seilbahn nach oben auf den Tafelberg befördern lässt, wird man sich Kapstadts einzigartiger Lage am Ozean bewusst – und dann wird einem auch klar, warum diese Stadt sich genau an dieser Stelle befindet, das heißt warum die Holländer hier vor vier Jahrhunderten einen Hafen anlegten, um einen Zwischenstopp machen und ihre Schiffe neu verproviantieren zu können. Obwohl so ganz anders als New York, bleibt diese Stadt genauso sehr eine Atlantikstadt wie ihr Gegenpart am anderen Ende der langen, sich über die See erstreckenden Diagonale.
Denn wenn man vom Gipfel hinunterschaut, ist der Ozean überall. Man braucht nur ein paar hundert Schritte zu machen, bis man in die etwas entlegeneren Ecken des Hochplateaus gelangt, wo, vom Sausen des Windes abgesehen, Frieden herrscht. Dort ist man nur noch in Gesellschaft der Adler, der Bussarde und der warblers , einer Grasmückenart, die sich unermüdlich von den Thermalwinden gen Himmel tragen lassen. Der Atlantik liegt im Süden, und man kann die windgepeitschten wilden Brecher sehen, die gegen den südlichsten Punkt des Kontinents, Kap Agulhas, und gegen die Klippen des Kaps der Guten Hoffnung anstürmen. Und der Ozean liegt im Norden, von einer Küste begrenzt, die sich, hinter den Halbinseln Saldanha und St. Helen’s Bay, in gerader Linie bis nach Namaqualand und zu den Sanddünen Namibias und der Skelettküste hochzieht. Und er breitet sich im Westen vor einem aus, vor der Stadt unten – wie ein gewaltiges, gekräuseltes Blech aus gehämmertem Stahl, mit den Strömungen von Table Bay, den wilden Strudeln um Robben Island und den schwachen weißen Kielwasserstreifen von großen Schiffen, die mit Kurs auf große und meist auch schöne Hafenstädte auf der anderen Seite des Atlantiks unterwegs sind: Buenos Aires, Montevideo, Rio de Janeiro, Recife, Pernambuco, Miami, Fort Lauderdale, Wilmington, Charleston, Baltimore, Philadelphia, Boston, Halifax oder St. John’s.
Das im 17.
Weitere Kostenlose Bücher