Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Atlantis-Komplex

Der Atlantis-Komplex

Titel: Der Atlantis-Komplex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
Vom Netzwerk:
− allerdings auf Gnomisch, was seine ratlosen Eltern natürlich nicht wissen konnten. Zu ihrer Erleichterung lernte er auch sehr schnell Englisch, aber er vergaß seine seltsame erste Sprache nie, und bisweilen gelang es ihm, Zweige in Flammen aufgehen zu lassen, wenn er nur konzentriert genug daran dachte.
    Ein gewaltiges, kakophones Stöhnen ließ beinahe das Dach des Theaters abheben, als mehrere Tausend Leute feststellten, dass sie nicht da waren, wo sie sein sollten. Obwohl es wie durch ein Wunder keine Toten gab, waren, nachdem man die letzte Schnittwunde desinfiziert hatte, 348 gebrochene Knochen, über 11 000 Fleischwunden und 89 Fälle von Hysterie zu verzeichnen. Letztere mussten mit Beruhigungsmitteln behandelt werden, die zum Glück für die Patienten in Mexiko wesentlich billiger waren als in den USA .
    Und obgleich dies das Zeitalter der Amateurvideos war und nahezu alle Anwesenden mindestens eine Kamera bei sich gehabt hatten, gab es nicht ein einziges Beweisfoto dafür, dass die Massenhypnose jemals stattgefunden hatte. Als die Polizei die beschlagnahmten Kameras und Handys überprüfte, stellte sich heraus, dass sämtliche Geräte auf die Werkseinstellungen zurückgesetzt und die Speicher geleert worden waren. Später würde das »Cancún-Ereignis«, wie man den Vorfall taufte, in einem Atemzug mit Area 51 und der Yeti-Wanderung genannt werden.
    Butler litt nicht an Hysterie – zum einen hatte er nicht mehr genug Luft in den Lungen, um zu schreien, und zum anderen hatte er schon in schlimmeren Klemmen gesteckt (Butler war einmal mehrere Stunden lang zusammen mit einem Tiger im Schornstein eines Hindu-Tempels eingepfercht gewesen), aber er hatte mehr als ein Dutzend Fleischwunden davongetragen. Allerdings blieb er nicht lange genug an Ort und Stelle, um sie der offiziellen Statistik hinzuzufügen.
    Was Juliet betraf, so war sie trotz ihres Sturzes nahezu unverletzt und rollte geschickt zu der Stelle, wo sie ihren Bruder zuletzt gesehen hatte.
    »Butler!«, rief sie. »Bist du da unten?«
    Kurz darauf wurde der Kopf ihres Bruders sichtbar, glatt wie ein Lutscher. Juliet wusste sofort, dass er noch lebte, weil an seiner Schläfe eine Ader pulsierte.
    Auf seinem Gesicht hockte ein pummeliger, halbnackter Säugling und kaute auf Butlers Daumen herum. Juliet nahm den Jungen vorsichtig herunter und bemerkte dabei, dass er für einen Säugling ungewöhnlich verschwitzt war.
    Butler atmete tief durch. »Danke, Schwesterchen. Der Racker hat mir nicht nur in den Daumen gebissen, sondern auch versucht, mir seine Faust in die Nase zu rammen.«
    Der Kleine gluckste fröhlich, wischte sich die Finger an Juliets Pferdeschwanz ab und krabbelte dann über die Menschenhaufen hinweg zu einer Frau, die weinend die Arme nach ihm ausstreckte.
    »Ich weiß, man soll Babys eigentlich mögen«, sagte Juliet keuchend, während sie einen Bankertypen bei seinen Hosenträgern packte und ihn von Butlers Schultern schleuderte, »aber der Kleine stank, und gebissen hat er auch.« Energisch schob sie eine Dame mittleren Alters beiseite, deren blondes Haar so stark mit Festiger eingesprüht war, dass es glänzte wie eine Butterblume. »Kommen Sie, gnä’ Frau. Runter von meinem großen Bruder.«
    »Oh«, sagte die Dame und klimperte verwirrt mit den Lidern. »Ich sollte den Bären fangen, oder etwas in der Art. Und ich hatte Popcorn, eine große Portion, von der ich noch gar nichts gegessen hatte. Wer entschädigt mich dafür?«
    Juliet rollte die Dame über die Bäuche von vier gleich gekleideten Cowboys, die alle ein T-Shirt mit dem Aufdruck Floyds Junggesellenabschied unter ihren strassbesetzten Westen trugen.
    »Das ist doch lächerlich«, knurrte sie. »Ich bin eine erfolgreiche Künstlerin, was mache ich hier in all dem Schweiß und Gestank?«
    Um sie herum war in der Tat eine Menge Schweiß und Gestank, und ein nicht unerheblicher Teil davon stammte von Floyd und seinen Freunden, die den Junggesellenabschied, nach der Geruchsentwicklung zu urteilen, schon mindestens seit zwei Wochen feierten.
    Nicht nur Juliet empfand das so, denn als der Cowboy mit dem »Floyd«-Anstecker aus seiner Benommenheit aufwachte, rief er aus: »Verdammte Hacke, ich stinke ja schlimmer als eine tote Ratte in einer Jauchegrube!«
    Butler ließ den Kopf kreisen, um mehr Raum zum Atmen zu haben.
    »Das war eine Falle«, sagte er. »Hast du hier irgendwelche Feinde?«
    Plötzlich spürte Juliet, wie ihr Tränen über die Wangen rollten. Sie hatte sich

Weitere Kostenlose Bücher