Der Atlantis-Komplex
aufzugeben.«
Angeline Fowl holte überrascht Luft. »Nun, Artemis Fowl der Zweite, ich glaube, das war die längste nicht wissenschaftliche Rede, die ich je aus deinem Mund gehört habe. Holly ist bestimmt froh, einen Freund wie dich zu haben.«
»Nein, das ist sie nicht«, erwiderte Artemis unglücklich. »Niemand ist froh, mich zu kennen. Ich kann niemandem helfen. Ich kann nicht mal mir selbst helfen.«
»Das stimmt nicht, Arty«, widersprach Angeline energisch. »Wer hat Haven City vor den Kobolden gerettet?«
»Mehrere Leute. Gut, ich war wohl auch nicht ganz unbeteiligt.«
»Und wer hat seinen Vater in der Arktis gefunden, als alle anderen ihn bereits für tot hielten?«
»Das war ich.«
»Na bitte. Sag nie wieder, dass du niemandem helfen kannst. Du hast den größten Teil deines Lebens damit zugebracht, anderen zu helfen. Ja, du hast auch ein paar Fehler gemacht, aber dein Herz sitzt am rechten Fleck.«
»Danke, Mutter. Jetzt geht’s mir schon besser.«
Angeline räusperte sich − ein wenig nervös, wie Artemis fand.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er.
»Ja, natürlich. Da ist nur etwas, das ich dir sagen muss.«
Nun wurde auch Artemis nervös. »Worum geht es, Mutter?«
Ihm schossen ein Dutzend Möglichkeiten durch den Kopf. Hatte seine Mutter etwas über seine nicht ganz so edelmütigen Unternehmungen herausgefunden? Über seine diversen unterirdischen Abenteuer wusste sie Bescheid, aber es gab noch jede Menge oberirdische Aktivitäten, von denen er nichts gesagt hatte.
Das ist das Problem, wenn man ein halbbekehrter Verbrecher ist: Man ist nie frei von Schuldgefühlen. Ein Anruf genügt, und alles fliegt auf.
»Um deinen Geburtstag.«
Erleichtert ließ Artemis die Schultern sinken. »Meinen Geburtstag? Ist das alles?«
»Ich habe etwas … Ungewöhnliches für dich, aber ich möchte, dass du es bekommst. Es würde mich sehr glücklich machen.«
»Wenn es dich glücklich macht, macht es bestimmt auch mich glücklich.«
»Aber, Arty, du musst mir versprechen, dass du es auch benutzt.«
Artemis fiel es von Natur aus schwer, irgendetwas zu versprechen. »Was ist es denn?«
»Versprich es mir, Schatz.«
Artemis sah durch die Scheibe nach draußen. Er hockte in einer kaputten Rettungskapsel, die mitten im Atlantik trieb. Entweder gingen sie unter, oder irgendein skandinavisches Militärschiff würde sie für Aliens halten und abschießen.
»Also gut, ich verspreche es. Jetzt sag schon, was hast du für mich?«
Angeline zögerte kurz. »Jeans.«
»Was?«, krächzte Artemis.
»Und ein T-Shirt.«
Artemis wusste, dass er sich unter den gegebenen Umständen nicht über so etwas aufregen sollte, aber er konnte nicht anders. »Mutter, du hast mich ausgetrickst.«
»Ich weiß, du magst keine Freizeitkleidung, aber −«
»Das stimmt nicht. Neulich bei dem Kuchenverkauf habe ich beide Ärmel hochgekrempelt.«
»Du schüchterst die Leute ein, Arty. Vor allem die Mädchen. Du bist fünfzehn Jahre alt und trägst einen Maßanzug, obwohl niemand gestorben ist.«
Artemis atmete ein paarmal tief durch. »Ist das T-Shirt bedruckt?«
Geraschel knisterte durch den Hörer. »Ja. Und zwar richtig toll. Da ist ein Bild von einem Jungen, der aus irgendeinem Grund keinen Hals und nur drei Finger an jeder Hand hat, und dahinter stehen in einer Art Graffiti-Stil die Worte Mein Name ist Zufall . Ich habe keine Ahnung, worauf das anspielt, aber ich finde, es klingt unglaublich cool.«
Mein Name ist Zufall , dachte Artemis. Es ist wohl eher ein Zufall, dass ich noch lebe, und ihm war fast zum Weinen zumute. »Mutter, ich −«
»Du hast es versprochen, Arty.«
»Ja, das habe ich, Mutter.«
»Und ich möchte, dass du mich Mama nennst.«
»Mutter! Jetzt übertreibst du aber. Ich bin nun mal, wie ich bin. T-Shirts und Jeans passen einfach nicht zu mir.«
Angeline Fowl spielte ihre Trumpfkarte aus. »Tja, weißt du, mein lieber Arty, manchmal sind die Menschen nicht so, wie sie zu sein glauben.«
Das war eine nicht sonderlich subtile Anspielung darauf, dass Artemis seine eigenen Eltern mit dem Blick hypnotisiert hatte, was Angeline erst bewusst geworden war, nachdem Opal Koboi ihren Körper in Besitz genommen hatte und sie, wenn auch nicht ganz freiwillig, von Artemis in die Geheimnisse der unterirdischen Welt eingeweiht worden war.
»Das ist nicht fair.«
»Fair? Warte, das muss ich den Herren von der Presse mitteilen. Artemis Fowl hat gerade das Wort fair benutzt.«
Offenbar war seine Mutter ihm
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