Der Attentäter - The Assassin
gerichtet. Aus ihrem Verhalten sprach Vorsicht, aber keine Angst. Er wusste es, war sich sicher, dass er ihre Miene richtig deutete.
Bring sie um, riet die innere Stimme.
Langsam trat er einen Schritt vor, vor Wut am ganzen Leib zitternd. Es war, als würde sich die Irrationalität seiner Gedanken auf seinen Körper übertragen. Sie hielt das Messer vor dem Körper ausgestreckt, als wollte sie ihn daran erinnern, dass sie nicht wehrlos war. Trotzdem, ihre kühle, konzentrierte Miene änderte sich nicht.
Sie ist ein zu großes Risiko … Zwei Leichen, sieh dir die Bescherung an. Leg sie um, sofort.
Er trat einen weiteren Schritt vor, sie einen zurück. Anscheinend wollte sie etwas sagen, überlegte es sich dann aber
anders. Der Abstand zwischen ihnen betrug nur zwei Schritte. Wenn er ihr schnell das Messer aus der Hand schlug, konnte er sie erwürgen. Er musste nur warten, bis sie einen Moment abgelenkt war …
Sie hörten, dass sich jemand näherte, und Vanderveen schlug sich sofort in die Büsche, während sie wie angewurzelt stehen blieb.
»Hallo? Polizei, ist da jemand?« Eine barsche, gebieterische Stimme.
Raseens fragender Blick glitt zu ihm hinüber. Er trat behutsam vor, nickte, zog sich wieder zurück. Jetzt war er abhängig von ihr, und ihm ging auf, wie schnell sich die Lage geändert hatte. Unter anderen Umständen wäre die Entwicklung fast amüsant gewesen.
Sie ließ sich in das nasse Gras fallen und wischte mit der Hand über den dunklen Fleck über ihrem linken Auge, um das Blut über ihr Gesicht zu verteilen. Neben einer der beiden Leichen liegend, stammelte sie auf Französisch: »Hier bin ich! Bitte helfen Sie mir! Bitte …«
Die Geräusche zwischen den Büschen wurden lauter. Blätter knisterten unter schweren Schuhen, Zweige brachen. Kurz darauf tauchte ein stämmiger Mann auf, und selbst in der Dunkelheit erkannte Vanderveen die Uniform eines Streifenpolizisten und das Funkgerät an seinem Gürtel. Er sah Raseen, stieß einen leisen Fluch aus und kniete sich neben ihr nieder. »Mademoiselle, Mademoiselle, êtés-vous blessée?« Sind Sie verletzt?
Mit einer schnellen Bewegung packte Raseen die Hände des Polizisten und zog ihn zu sich herab, während Vanderveen von hinten auftauchte und die Klinge seines Stiletts herausspringen ließ.
Der Polizist stieß eine sinnlose Warnung aus und bemühte
sich, wieder auf die Beine zu kommen, doch seine Füße fanden in dem feuchten Gras keinen Halt. Während er nach dem Funkgerät tastete, schlug Vanderveen ihm mit der linken Hand die Kappe vom Kopf, packte seine Haare und bohrte ihm das Messer unter das rechte Ohr. Der Polizist erschauderte und gab ein seltsames Geräusch von sich, das irgendwo zwischen einem Husten und einem Schrei lag. Dann wurde sein Körper schlaff. Vanderveen bewegte die Klinge ein paarmal hin und her, zog sie dann heraus und ließ den Mann los. Der Tote stürzte mit einem dumpfen Geräusch zu Boden.
Raseen hatte bereits die blutverschmierte Jacke ausgezogen und rieb mit dem Futter über das feuchte Gras, bevor sie sich das Gesicht abwischte. Dann ließ sie ihr Messer in der Jacke verschwinden und rollte sie so zu einem Bündel zusammen, dass keine Blutflecken zu sehen waren.
In diesem Augenblick war sie unbewaffnet. Sie schaute auf das Messer in Vanderveens Hand, doch ein schneller Blick auf ihr Gesicht verriet ihm, dass sich nichts geändert hatte. Keine Spur von Angst.
Sie konnte nicht wissen, dass ihre Gleichgültigkeit und Furchtlosigkeit ihr gerade das Leben gerettet hatten. Hätte sie nur einen Anflug von Panik oder Unschlüssigkeit gezeigt, hätte er sie sofort getötet. Stattdessen wischte er jetzt sein Messer ab und platzierte es neben einer der Leichen. Dann griff er nach Raseens Arm und verließ mit ihr den Park.
Als sie zum Hotel zurückkehrten, waren das Neonschild und die anderen Lichter erloschen. Vanderveen stieß die Tür auf und zog Raseen an der Rezeption vorbei, wo eine junge, zusammengesunken dasitzende Frau sie gleichgültig anschaute. Ein paar verwelkte Topfpflanzen, dann die schäbige Treppe. Sie
stiegen in der Finsternis die Stufen in den ersten Stock hinauf. Im Zimmer angekommen, verschwand Raseen im Bad, wo sie das Licht anknipste und die Tür schloss. Kurz darauf hörte Vanderveen das Wasser laufen. Er ging zum Fenster, zog die Vorhänge etwas auseinander und blickte auf die Straße hinab. Es gab keine Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmte, doch aus der Ferne waren Sirenen zu
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