Der Attentäter - The Assassin
zu dem geworden war, was sie war, was sie antrieb. Ihre Gedanken und ihre Vergangenheit waren für ihn gleichermaßen unerreichbar, doch im Moment spielte es keine Rolle.
Ihre Hände glitten hinter ihren Rücken, der BH fiel zu Boden. Vanderveen drückte sie tiefer in die Kissen und küsste ihre nackte Haut.
Als er aufwachte, kam es ihm vor, als wären Stunden vergangen, doch ein schneller Blick auf die Uhr auf dem Nachttisch sagte
ihm, dass er nicht einmal eine Stunde geschlafen hatte. Einige Minuten lag er nur da und wartete, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Dann setzte er sich leise auf und blickte sich in dem Zimmer um. Raseen saß am Fenster, in eine fadenscheinige Decke gehüllt. Sie hatte die Vorhänge zurückgezogen, als unten auf der Straße ein Auto vorbeifuhr. Das Licht der Scheinwerfer fiel für einen Moment auf ihre markanten Gesichtszüge und ihre dunkelbraunen Augen. Als sie ihn bemerkte, lächelte sie ihn an.
»Du bist ja wach.«
Vanderveen lehnte sich gegen das Kopfbrett des Bettes und fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Ja.«
Sie kam zum Bett zurück und legte ihren Kopf auf seine Schulter, noch immer in die Decke gehüllt, als müsste sie ihre Tugend demonstrieren. Er schlang seinen linken Arm um sie und zog sie dicht an sich heran.
»Kannst du nicht schlafen?«, fragte er.
»Nein.«
Merkwürdig, das eine Wort reichte als Antwort aus. Eine scheinbare Ewigkeit lang saßen sie einfach nur da. Er fragte sich, ob sie ihre Taten je bereut hatte, konnte ihr diese Frage aber nicht stellen. Ohnehin hätte er ihr die Antwort nicht abgenommen.
Schließlich legte sie die Lippen an sein Ohr und sagte: »Ich habe dich in der Telefonzelle gesehen. Mit wem hast du gesprochen?« Als er zögerte, hakte sie sofort nach. »Wir sitzen in einem Boot, Will. Wenn wir Erfolg haben wollen, musst du lernen, mir zu vertrauen.«
Vertrauen . Angesichts dessen, was sie getan hatte, war das ziemlich viel verlangt. Trotzdem hatte sie einen wichtigen Punkt angesprochen. Er hatte sie gebeten, mit ihm zu kommen,
nicht umgekehrt. Wenn er ihr nicht vertrauen konnte, hatte ihre Zusammenarbeit keine Zukunft. Trotzdem würde er nie in der Lage sein, sie zu kontrollieren, und diese Tatsache konnte er nicht ignorieren. Er dachte noch ein paar Minuten nach, wog das Für und Wider ab. Sie wartete schweigend auf seine Entscheidung.
Irgendwann begann er leise zu reden. Er erzählte ihr alles, von jenem Tag an der syrischen Küste bis hin zu seiner Zusammenarbeit mit den Iranern und Al Kaida. Auch den gescheiterten Anschlag auf den amerikanischen Präsidenten vor einem Jahr ließ er nicht aus. Und zu guter Letzt erzählte er von Ryan Kealey und davon, was für eine Gefahr dieser Mann für ihn war.
»Ich habe es mir selbst zuzuschreiben«, sagte er abschlie ßend. »Ich habe fünf seiner Soldaten getötet, fünf Männer, für die er verantwortlich war. Fünf Freunde. Dann, sieben Jahre später, habe ich seine Lebensgefährtin umgebracht, vor seinen Augen. Es ist nur zu verständlich, dass er mich tot sehen will.«
Sie bewegte sich, um eine bequemere Sitzposition zu finden. »Vielleicht, aber die Vergangenheit lässt sich nicht mehr ändern. Die Frage ist, was du jetzt tun willst.«
Vanderveen lächelte. »Kealey ist Rühmann auf der Spur. Sobald er weiß, wo der ist, wird er selbst nach Europa kommen. So eine wichtige Sache überlässt er nicht anderen.«
»Und wir werden ihn erwarten.«
»Du sagst es.«
»Und in der Zwischenzeit?«
»Wir treffen den Mann, den unsere Auftraggeber geschickt haben. Er wird morgen Nachmittag in London sein.«
29
Washington, D.C.
Die Straßen von Washington waren um vier Uhr morgens nicht so verwaist, wie Kharmai erwartet hatte. Einige Autos waren ihnen schon begegnet auf dem Weg nach Palisades, einem Viertel für Gutbetuchte, das den Vergleich mit der nostalgischen Eleganz Georgetowns nicht zu scheuen brauchte. Sie waren an den abgesperrten Straßen um das Weiße Haus vorbeigekommen und durch Foggy Bottom gefahren, durch den über dem Potomac hängenden Nebel. Dann, sie waren gerade im Arlington County, schimmerten in der Ferne verschwommen die Lichter des United States Naval Observatory.
Kharmai bog von der Pennsylvania Avenue auf die M Street ab, dann auf die Wisconsin Avenue. Ihr Wagen war dunkelblau, ein relativ neuer Taurus mit getönten Scheiben, neuen Reifen und Kennzeichen aus Virginia. Er wirkte wie ein ganz normales Auto, bis hin zu einigen
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