Der Attentäter - The Assassin
Verlassen des Parks fand er an der Rue Aristide Briand den öffentlichen Fernsprecher, nach dem er suchte. Zwar war er schon an einem halben Dutzend Telefonzellen vorbeigekommen, doch nach der langen Autofahrt von Paris nach Calais hatte er erst laufen wollen. Es war nicht darum gegangen, einen möglichen Verfolger zu entdecken; wenn sie beobachtet wurden, hätten die Sicherheitsbehörden mittlerweile zugeschlagen. Trotzdem wuchs sein Unbehagen. Aber er musste anrufen, er hatte es schon zu lange aufgeschoben.
Kurz nach seiner Ankunft in Paris hatte er eine Telefonkarte der French Telecom gekauft. Er schob sie in den Fernsprecher, wählte eine dreizehnstellige Nummer und hob den Hörer ans Ohr.
»Ja?«
»Hier ist Taylor«, sagte Vanderveen nach dem vorab festgelegten Modus. »Was haben Sie mir zu sagen?«
Als die Antwort kam, klang die vertraute Stimme zugleich verärgert und besorgt. »Ich hatte gestern mit Ihrem Anruf gerechnet. Es gibt ein Problem. Das Treffen ist nicht wie geplant gelaufen.«
»Ich höre.«
»In Alexandria sind zwei nicht geladene Gäste aufgetaucht. Sie kamen von der CIA, und einer von ihnen hat es geschafft, sich nach dem Tod unseres Freundes seinen Laptop unter den Nagel zu reißen. Das Ganze hat politische Implikationen, es gab einige Rangeleien in den Führungsetagen, aber es sollte nur eine Sache von Stunden sein, bis wir den Computer zurückhaben.
Unglücklicherweise wissen wir nicht, was darauf gespeichert ist. Der Mann im Norden könnte gefährdet sein.«
Rühmann. Vanderveen umklammerte krampfhaft den Hörer, doch seine Stimme klang ruhig und gelassen. »Wann wissen Sie das mit Sicherheit?«
Ein kurzes Zögern, dann: »In maximal vierundzwanzig Stunden.«
»Das ist zu lange. Er muss verschwinden, wenn sie ihm auf der Spur sind.«
»Verschwinden muss er sowieso. Sie müssen Verständnis dafür haben, dass ich nicht alles kontrollieren kann … Falls sich auf der Festplatte nützliche Informationen finden, wird das FBI sie finden und nutzen.«
»Verstehe«, antwortete Vanderveen knapp. »Ich kümmere mich darum.«
»Ist das Paket abgeliefert worden?«
»Noch nicht. Es müssen noch einige Details geklärt werden, aber ich werde die Transaktion bald beenden.«
»Wann genau?«
Sein kurzes genervtes Schweigen war eigentlich schon eine Replik, aber er antwortete trotzdem. »Geht Sie nichts an. Halten Sie mich einfach auf dem Laufenden. Ich muss wissen, was auf der Festplatte ist. Vielleicht hat Mason mehr gewusst, als wir glaubten.«
»Okay. Sonst noch was?«
Als Vanderveen gerade verneinen wollte, regte sich etwas in den hintersten Windungen seines Gehirns. »Diese beiden Schlapphüte … Sie kennen nicht zufällig ihre Namen?«
»Der Ältere nannte sich Jonathan Harper. Er war heute im NCTC auf der Suche nach Informationen. Auf seinem Ausweis stand, er komme vom Office of General Counsel, doch etwas
daran kam mir merkwürdig vor. Ich habe noch nie gehört, dass ein Anwalt der CIA bei einem Einsatz des FBI aufgetaucht wäre. Auch hier gab es keinen Grund für seine Anwesenheit.«
Vanderveen dachte kurz nach. »Ich will mehr über ihn wissen. Falls Sie Zugang zu solchen Informationen haben, könnten die sehr nützlich sein.«
»Möglich, dass ich Ihnen helfen kann.«
»Gut. Tun Sie, was Sie können. Was ist mit seinem Untergebenen? Er ist doch derjenige, der den Laptop mitgenommen hat, oder?«
»Ja. Der Mann heißt Kealey, Ryan Kealey.«
Vanderveen schloss die Augen, legte auf und stand fast eine Minute reglos da. Dann öffnete er die Augen langsam und hob den Hörer erneut. Die Nummer, die er diesmal wählte, verband ihn mit einem Anschluss in einem ganz anderen Teil der Welt.
Als am anderen Ende abgenommen wurde, sagte er nur: »Ich bin’s. Tut mir leid, aber wir könnten ein kleines Problem haben.«
28
Calais
Nach dem Ende des zweiten Gesprächs verließ Vanderveen die Telefonzelle und ging in Richtung Park zurück. Aus einem hell erleuchteten Restaurant auf der anderen Straßenseite drangen Geräusche herüber, Gesprächsfetzen in mehreren Sprachen, das helle Lachen einer Frau, das Klirren von Gläsern, und die appetitanregenden Düfte erinnerten ihn daran, dass er fast einen Tag lang nichts mehr gegessen hatte. Aber seine Gedanken waren ganz damit beschäftigt, was er gerade erfahren hatte.
Kealey. Er schüttelte ungläubig den Kopf. Zugleich fragte er sich, warum er eigentlich so überrascht war. Irgendwie schien es unvermeidlich, dass Kealey mit dem Fall
Weitere Kostenlose Bücher