Der Attentäter - The Assassin
haben wir ein Problem.«
Kassems Augen funkelten gereizt. »Junger Mann, ich arbeite seit mehreren Jahren mit Ihren Landsleuten zusammen. Was hätte ich wohl für einen Grund, mich in so eine Geschichte hineinziehen zu lassen?«
»Um das herauszufinden, bin ich hier«, antwortete Kealey gereizt. »Seit dem Fall von Bagdad werfen wir Ihnen das Geld hinterher, und meiner Ansicht nach haben wir dafür keine
nennenswerte Gegenleistung gesehen. Also, hier ist die nächste Frage. Wo ist das Geld geblieben?«
Das brachte Kassem aus der Fassung, und er antwortete nicht sofort. Es war das erste Mal, dass er es mit diesem arroganten Amerikaner zu tun hatte. Wusste der nicht, wer er war? Mit wem er hier redete?
Zugegeben, der Mann war anders als seine Vorgänger, die meistens Überbleibsel aus der Zeit des Kalten Krieges gewesen waren, ergraute, fett gewordene Soldaten, die die fünfzig, wenn nicht die sechzig überschritten hatten. Mit solchen lächelnden Weichlingen konnte man gut umgehen. Mit diesem Mann war nicht zu spaßen.
Jung, schlank, gebräunt, außergewöhnlich fit. Sein ungekämmtes, langes schwarzes Haar hing ihm in die Stirn, und er trug einen verfilzten Bart. Er erinnerte auffällig an die amerikanischen Elitesoldaten, deren Präsenz in der Stadt unübersehbar war, trug aber Zivilkleidung, ein schlichtes schwarzes T-Shirt und eine fadenscheinige Hose. Kassem ließ sich kein Detail entgehen, wie es seiner Gewohnheit entsprach, doch es waren nicht diese Äußerlichkeiten, die ihn irritierten.
Es waren die dunkelgrauen Augen seines Gegenübers, deren Blick völlig leer war. Er kannte diesen Ausdruck der Leere von Menschen, die einen entsetzlichen Verlust erlitten hatten, von Menschen, die den Schmerz schon hinter sich gelassen und nichts gefunden hatten, das an seine Stelle treten konnte. Kassem fragte sich, was diesem jungen Amerikaner zugestoßen sein mochte, doch wichtiger war, was für Konsequenzen das Wesen seines Besuchers für ihn haben konnte. Allmählich glaubte er, dass sein Gast nicht begriffen hatte, wie dieses Spiel gespielt wurde.
»Das Geld«, antwortete er vorsichtig, »geht an Männer,
die keine Möglichkeit haben, ihre Familie zu ernähren, und deshalb möglicherweise zu den Waffen greifen. An Männer, die die Hoffnung verloren und Ihrem Land einiges zu bieten haben. Was für Ihre Seite besser ist, als wenn sie sich am Widerstand beteiligen würden. Darauf habe ich mich mit Ihren Leuten geeinigt.«
»Ich kenne die Abmachung. Dagegen sehe ich nicht, wie wir feststellen könnten, was für Fortschritte Sie gemacht haben. Welche Garantien können Sie uns bieten?«
»Die Entwicklung ist der beste Beweis«, prahlte Kassem. Obwohl er sich bemühte, gelang es ihm nicht, seine Arroganz weiter zu unterdrücken. »Wie viele Soldaten hat Ihre Seite im letzten Monat verloren? Oder in dem davor?«
»Da sprechen Sie ein zentrales Thema an«, sagte Kealey. »Ich frage mich, wo die Männer geblieben sind, von denen Sie behaupten, sie hätten den Aufständischen den Rücken zugekehrt. Gut möglich, dass einige von ihnen die neue Regierung akzeptieren. Vielleicht sind Ihre Kumpels im Osten genauso erfolgreich wie Sie, alte Saddam-Getreue zu bekehren.«
Kassem nickte feierlich. »Da könnten Sie recht haben. Es braucht halt seine Zeit …«
»Andererseits ist denkbar, dass sie sich eben nicht von ihren alten Idealen abgewandt haben.«
Der Iraker runzelte verärgert die Stirn. »Was wollen Sie damit sagen?«
Kealey beugte sich vor. »Mittlerweile stehen Sie seit fast zwei Jahren auf unserer Gehaltsliste, haben sich aber nicht gerade beeilt, Ihren Teil der Abmachung zu erfüllen. Daran haben Sie sich erst erinnert, als der Präsident beschlossen hat, mit dem Truppenabzug zu beginnen. Ich kann mir nicht helfen, aber ich frage mich, auf wessen Gehaltsliste Sie noch stehen.«
Kassem ließ sich mit seiner Antwort Zeit, und als er dann sprach, klang seine Stimme sehr bedächtig und ruhig. »Ich sehe, dass Sie neu in diesem Geschäft sind. Sehr schnell mit Anschuldigungen bei der Hand.«
Kealey zuckte die Achseln. »Hören Sie gut zu …«
»Nein, jetzt rede ich«, antwortete Kassem, dessen Stimmung unübersehbar umgeschlagen war. »Waren Sie jemals in Nadschaf?«
Die Lüge fiel Kealey leicht. »Nein.«
»Ein langjähriger Freund von mir lebt dort. Wir sind uns sehr ähnlich in dem Punkt, dass auch er in seiner Gegend Respekt erwartet und von den Leuten als Führer gesehen wird. Durch seine Stellung wurden
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