Der Attentäter - The Assassin
wechselten täglich, und in ihrem Fall haben die Befragungen einige wertvolle Informationen erbracht. In der ersten Septemberwoche waren Elektriker da, um im ersten und zweiten Stock des Hotels Reparaturen durchzuführen. Die Arbeiten dauerten zehn Tage. Während dieser Zeit sprach der Stellvertreter des Hotelmanagers, ein Mann namens Raschid Aman al-Umari, mit den Vorarbeitern und bat sie, dafür zu sorgen, dass die Fahrzeuge der Handwerker von den Sicherheitsüberprüfungen ausgenommen wurden.«
»Interessant.« Kharmai beugte sich vor. »Äußerst interessant. Lassen Sie mich raten. Jetzt ist al-Umari von der Bildfläche verschwunden, stimmt’s?«
Mills zeigte mit dem Finger auf sie. »Genau. Wir können ihn nirgends finden, was aber bestimmt nicht daran liegt, dass wir uns nicht genug Mühe gegeben hätten. Gestern hat die irakische Polizei sein Haus in Bagdad durchsucht.« Er reichte Kharmai ein Foto. »Heute Morgen haben wir ein Team zu seinem Haus in Knightsbridge geschickt.«
Kharmai nahm das Foto und betrachtete es kurz. Es zeigte eine große Villa inmitten eines gepflegten Gartens. »Wie kommt ein Hotelmanager zu so einem Haus?«
»Er hat es geerbt«, antwortete Mills. »Es gehörte seinem Vater, und bis vor drei Monaten hat al-Umari dort gelebt. Karim al-Umari, der Vater, kam 2003 bei einem amerikanischen Luftangriff auf Bagdad ums Leben, wie seine Frau und Rashids jüngere Schwester. Da der ältere al-Umari Beziehungen zu den höchsten Repräsentanten des Baath-Regimes hatte, war die Bombardierung seines Privathauses nicht gerade ein … Zufall. Nach der Bestattung seiner toten Angehörigen machte Raschid
vor ein paar Wochen in einem Interview mit Al Jasira einige nicht eben feine Bemerkungen über seine Einstellung gegenüber den Vereinigten Staaten.«
Erneut fiel Kharmai Mills’ Neigung zu britischem Understatement auf. »Nun, damit hätte er vermutlich ein Motiv«, sagte sie. »Aber warum ausgerechnet dieses Hotel?«
»Weil der Premierminister häufig dort übernachtete, wenn er am nächsten Morgen schon früh einen Termin hatte. In diesem Fall musste al-Maliki um sieben Uhr am Flughafen sein, wo er eine Maschine nach Paris besteigen wollte. Um nicht in den üblichen Verkehrsstau vor und um die Grüne Zone zu geraten, hat er für sich und seine Berater eine ganze Etage im Babylon Hotel gemietet. Dieses Treffen wichtiger Staatsmänner in Paris stand seit etwa einem Monat fest, und die Öffentlichkeit wusste, dass al-Maliki daran teilnehmen wollte. Also hatten die Bombenleger gute Gründe für die Annahme, dass er in dem Hotel übernachten würde, und sie haben sich nicht geirrt. Es blieb reichlich Zeit, um ein Problem mit den elektrischen Leitungen herbeizuführen. Damit hatte al-Umari einen Grund, die ›Handwerker‹ in das Hotel zu holen.«
»Wie sind sie vorgegangen?«
»Sie haben die Bomben in die Wände eingebaut und mit Langzeit-Timern versehen. Die IRA hat sich 1984 an etwas Ähnlichem versucht, ihr Ziel aber ebenfalls nicht erreicht. Damals galt der Mordanschlag Margaret Thatcher und ihrem gesamten Kabinett.«
»Was ist mit dem Tonband? Wo wurde es gefunden?«
»In einem Safe in al-Umaris Haus. Ein besonders cleveres Versteck hat er sich damit nicht ausgesucht. Genauso gut hätte er das Band einfach auf dem Küchentisch liegen lassen können.«
Kharmai dachte einen Augenblick nach. »Vielleicht hielt er es nicht für notwendig, es zu verstecken, weil niemand von der Existenz des Bandes wusste. Al-Umari hat es selbst aufgenommen, richtig? Als Versicherung für später?«
»Sieht so aus.«
»Und wir können die zweite Stimme darauf nicht identifizieren?«
Mills nickte.
»Was ist mit den Wachtposten, die am Tor Dienst getan haben? Vielleicht hat einer von ihnen …«
»Keine vorschnellen Schlüsse. Vergessen Sie nicht, dass dies eine neue Entwicklung ist. Das Band wurde erst heute gefunden, wird aber bereits analysiert. Morgen bekommen die Iraker eine Kopie.«
»Und die Bombenleger?«
»Ebenfalls spurlos verschwunden. Es gibt da noch ein interessantes Detail: Der Chef der Elektriker war ein Deutscher namens Erich Kohl. Diese Information kommt übrigens von den Wachtposten am Tor. Sie haben auf die Sicherheitsüberprüfung verzichtet, aber darauf bestanden, dass die Arbeiter sich jeden Morgen auf einer Liste eintrugen. Kohl tauchte erst in der zweiten Woche auf. Interessant ist auch, dass die deutsche Regierung nichts von einem Landsmann dieses Namens in der Region weiß,
Weitere Kostenlose Bücher