Der Attentäter - The Assassin
Gedanke, dass sie die traumatische Erfahrung vielleicht nie überwinden würde, erfüllte ihn mit Verzweiflung, doch zugleich wusste er, dass er sie nie allein lassen würde. Er würde alles tun, um ihr dabei zu helfen, die Sache durchzustehen.
Aber nur, wenn sie wollte. Wieder musste er darüber nachdenken, in welchem Ausmaß sie ihm die Schuld gab an dem, was geschehen war. Vielleicht war es nicht angebracht, danach
zu fragen, aber er musste es wissen. Wenn seine Anwesenheit ihren Schmerz nur vergrößerte, wollte er nicht länger bleiben.
Als er dann fragte, schüttelte sie den Kopf, wollte ihm aber nicht in die Augen blicken. »Vielleicht habe ich dich für kurze Zeit gehasst«, räumte sie leise ein. »Aber es ist vorbei, und es war von Anfang an nicht wirklich so gemeint. Ich weiß, dass du ihn gestoppt hättest, wenn es dir möglich gewesen wäre.«
»Ich hätte dich nie allein in dem Lagerhaus zurücklassen dürfen«, sagte er verbittert. »Wenn ich doch nur …«
»Sag das nicht. Es ist einfach schlecht gelaufen. Schließlich war es meine Entscheidung, mit Foster zu fahren, und du konntest nicht wissen, dass Vanderveen vor dem Lagerhaus gewartet hatte. Es war nicht deine Schuld.«
Er nickte, ohne es ihr hundertprozentig abzunehmen, und versuchte, seine eigenen Gefühle abzuschütteln. Es war nicht der richtige Augenblick für Selbstmitleid. Hier ging es nicht um ihn, und er musste sie noch etwas Wichtiges fragen. Obwohl er nicht wusste, ob es der richtige Zeitpunkt war, konnte er sich nicht länger gedulden.
»In etwa einer Woche wirst du entlassen, Naomi. Ich möchte, dass du mit mir nach Maine kommst. Nach Cape Elizabeth.«
Sie blickte nicht auf, aber er sah, wie sich ihr Körper verkrampfte. »In das Haus, wo …«
»Ja.« Vor einem knappen Jahr war Katie Donovan in diesem Haus auf Cape Elizabeth gestorben, und seitdem war er nicht mehr dort gewesen.
»Kannst du dahin zurückkehren?«
Sie beließ es bei der knappen Frage, doch er wusste genau, worauf sie hinauswollte.
»Bisher konnte ich es nicht«, antwortete er. »Aber ich denke, dass es jetzt möglich ist. Zumindest, wenn du bei mir bist.« Sie
schaute ihn an, und er fuhr fort. »Ich möchte mich um dich kümmern, Naomi, dir helfen, diese Sache durchzustehen. Ich möchte, dass du wieder zu Kräften kommst.« Er schwieg kurz, und sprach dann aus, worauf es ihm eigentlich ankam. »Aber vor allem möchte ich mit dir zusammen sein. Solange du es auch möchtest.«
Was dann geschah, überraschte ihn, obwohl ihre Reaktion eigentlich nicht überraschend war. Sie machte sich frei, stand auf und ging zum Fenster. Auch er erhob sich verwirrt.
»Das ist nicht dein Ernst«, sagte sie verbittert. »Das kann nicht dein Ernst sein. Jetzt nicht mehr. Also tu nicht so, als hätte sich nichts geändert.«
»Wovon redest du?«
Sie wirbelte wütend herum, und wieder standen Tränen in ihren Augen. »Du weißt genau, wovon ich rede.«
Plötzlich begriff er, was sie meinte, doch damit war er in einer schwierigen Situation, weil er das Thema schlecht direkt ansprechen konnte. Ihm fielen keine Worte ein, die ihre Gefühle nicht auf die eine oder andere Weise verletzt hätten. Nach kurzem Nachdenken trat er zu ihr und ergriff ihre Hand. Sie versuchte nicht, sie wegzuziehen, blickte ihm aber auch nicht in die Augen. »Sieh mich an, Naomi.«
Als sie schließlich den Blick hob, verzichtete er auf Worte, beugte sich zu ihr herab und küsste sie. Und als sich seine Lippen eine Minute später von ihren lösten, breitete sich ein schüchternes Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Er brauchte nicht mehr als dieses spontane, völlig ungezwungene Lächeln. Für den Kuss gab es zwei Gründe. Erstens hatte er sich seit Wochen danach gesehnt, und zweitens wollte er ihr ins Gedächtnis rufen, wie schön sie war. Tatsächlich empfand er natürlich viel tiefere Gefühle für sie, als sie wissen konnte, Gefühle, die sehr
viel Wichtigeres betrafen als nur ihre körperliche Attraktivität. Sie war eine unglaubliche Frau, und er hätte alles für sie getan.
»Bist du dir deiner Sache sicher?«, fragte sie leise. »Ich möchte nicht, dass du denkst, du müsstest es aus einem Schuldgefühl heraus tun oder weil ich dir leidtue.«
»Sag das nicht. Du weißt, dass es nicht stimmt.« Er berührte sehr behutsam ihren Verband, an einer Stelle, wo es nicht wehtun konnte. »Diese Verletzungen werden verheilen, Naomi, sie sind nur oberflächlich.« Er legte die Hand auf ihr Herz. »Mich
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