Der Attentäter - The Assassin
er konnte sich nur auf seine angeborene Intelligenz
verlassen. Seinem Wesen entsprach es, Pläne zu entwickeln und Geld zu geben, aber umsetzen mussten sie andere. Aus diesem Grund konnte er nicht die notwendige Entrüstung aufbringen, die ihn vielleicht zur Gegenwehr motiviert und gerettet hätte, als die Hand seinen Arm packte.
Er wich etwas zurück, aber nicht weit genug. Dann kam die barsche Aufforderung, sein Geld herauszurücken. Er erhaschte einen kurzen Blick auf dunkle Augen, die gleichfalls Panik ausdrückten. Plötzlich überkam ihn ein Gefühl des Stolzes … Vielleicht konnte er als Sieger aus dieser Auseinandersetzung hervorgehen. Doch bevor er handeln konnte, tauchte wie aus dem Nichts ein Messer auf, dessen Klinge schwach funkelte...
Plötzlich wurde die Hand mit dem Messer von hinten gepackt, zurückgerissen und schmerzhaft verdreht. Al-Umari hörte ungläubig, wie der Angreifer vor Schmerz aufschrie. In seiner Verwirrung hatte er nicht gesehen, dass sich jemand näherte. Der Junge ließ das Messer los und knallte hart auf das Pflaster, nach Atem ringend und vor Schmerz stöhnend.
Al-Umari trat auf wackeligen Beinen ein paar Schritte weiter zurück und starrte den Mann an, der ihm zu Hilfe gekommen war. Noch nie hatte er jemanden so schnell handeln sehen, ohne jedes Zögern... Er war Student, bei ihm lähmte die Reflexion den Willen zum Handeln. Das entsprach seinem Wesen, jede Gewaltanwendung war ihm fremd.
Dass er selbst etwas viel Schlimmeres vorhatte, in sehr viel größeren Dimensionen, entging Raschid al-Umari in diesem Moment.
Der Schock hatte ihn noch im Griff, und es dauerte ein paar Augenblicke, das ihm bekannte Gesicht mit dem zu vergleichen, das er jetzt vor sich sah. Der Deutsche hatte sich einiges
einfallen lassen, um seine äußere Erscheinung zu verändern. Seine einst rötlichbraunen Haare waren jetzt schwarz und kurz geschnitten, die blassblauen Augen dunkelbraun.
»Was machen Sie hier?«, fragte al-Umari. »Wir wollten uns erst in zwei Tagen treffen.«
Kohl antwortete nicht, kniete sich stattdessen neben dem jungen Mann nieder, dem er gerade das Handgelenk gebrochen hatte, und durchsuchte hastig seine Taschen. Er klappte eine dünne lederne Brieftasche auf und studierte ihren Inhalt: eine zerknitterte Busfahrkarte, ein paar Geldscheine, ein abgelaufener Ausweis. Letzteres beruhigte ihn etwas. Ein Geheimdienstagent hatte vielleicht einen gefälschten Ausweis dabei, aber mit Sicherheit nie einen abgelaufenen. Damit fiel man bei jeder Kontrolle auf.
Der junge Mann kam langsam wieder zu sich. Er lag noch immer mit dem Gesicht nach unten auf dem Pflaster und betastete mit der heilen Hand die gebrochenen Knochen seines rechten Handgelenks. Kohl presste ihm das linke Knie auf den Rücken, und der Druck löste ein erneutes Stöhnen aus.
Dann wandte er sich al-Umari zu, der immer noch redete. Die Worte sprudelten aus ihm heraus, und seine Fragen verrieten, dass er Angst hatte.
»Was werden Sie tun? Wahrscheinlich ist er ein Agent des irakischen Geheimdienstes.«
»Er hatte es auf Ihr Geld abgesehen.«
»Ja, aber wahrscheinlich haben sie ihm gesagt, er soll es wie einen Raub aussehen lassen«, stotterte al-Umari. »Diese Leute sind nicht dumm, wie Sie wissen, und werden immer noch von den Amerikanern kontrolliert …«
»Gehen Sie in Ihr Hotel zurück, und zwar auf belebten Stra ßen«, erwiderte Kohl in flüssigem Arabisch. »Bis ich zu Ihnen
komme, gehen Sie nirgendwohin. Wir müssen verschwinden. Ich erledige die notwendigen Anrufe.«
Al-Umari nickte benommen. Er wollte noch etwas sagen, überlegte es sich aber anders, machte kehrt und eilte zum Ende der Gasse, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Nachdem er außer Sichtweite war, wandte sich Kohl dem jungen Mann zu, dem er übel mitgespielt hatte. Er wand sich unter dem Druck seines Knies und stieß trotz der unerträglichen Schmerzen hin und wieder ein paar verständliche Worte aus.
Al-Umari mochte naiv sein, hatte aber einen wichtigen Punkt angesprochen. Die CIA, die den irakischen Geheimdienst gesäubert und umgemodelt hatte, rekrutierte für diesen heutzutage Männer, die nicht durch ihre Zusammenarbeit mit dem alten Regime belastet waren. Meistens waren es Amateure - zu jung, um wirklich effektive Arbeit zu leisten. Trotzdem war denkbar, wenn auch unwahrscheinlich, dass dieser Mann ein irakischer Agent war. Aber es war eigentlich egal, er hatte al-Umaris Gesicht gesehen. Das reichte als Grund.
Er blickte sich um, die
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