Der Attentäter - The Assassin
sich in die rechte Ecke, wo das Rot blasser war. »Und das hier ein weich ausgesprochenes. Und die Frikativlaute hier lassen hoffen.«
»Wegen der Unterschiede zwischen den Sprachen?«
»Genau. Im Arabischen findet man viele Allophone, was bei Spektrogrammen manchmal zu Problemen führt, selbst wenn man analoge in digitale Signale konvertiert und die elek…«
»Moment«, sagte Kharmai leicht genervt. »Die Technologie kenne ich, aber ich habe trotzdem keine Ahnung, was du gerade sagen wolltest.«
»Du meinst die Allophone?« Kharmai nickte schüchtern, und Peterson musste lächeln. Es kam nicht oft vor, dass ihre Freundin eine Wissenslücke eingestehen musste. »Nun, ein Laut ist ein Geräusch, das, als Schallwelle dargestellt, eine definitive Form hat. Das ist natürlich hilfreich bei vergleichenden spektrographischen Analysen. Ein Allophon ist dagegen einer von mehreren Lauten in einem Phonem. Wenn man ein Phonem in einem Wort ändert, kann ein völlig anderes dabei herauskommen.«
»Dann ist ein Phonem also so etwas wie … eine Silbe?«
»Eigentlich nicht. Eher die Art und Weise, wie Silben zusammengesetzt werden. Aber wie gesagt, das Tückische bei den Allophonen ist, dass sie bei einem Spektrogramm zu Problemen führen können. Das passiert aus zwei Gründen. Im ersten Fall ist die Software zwar gut, aber nicht gut genug. Sie
kann nicht immer differenzieren, wenn zwei Laute sehr ähnlich sind. Zweitens gibt es immer Interferenzen, die teilweise schon auftreten, wenn die Aufnahme gemacht wird. In diesem Fall gingen die Verzerrungen auf das Aufnahmegerät und Störungen in der Verbindung zurück.«
»Außerdem geht auch immer etwas verloren, wenn man analoge Signale in digitale konvertiert, oder?«
Peterson belohnte Kharmai mit einem Lächeln, wie es sich eine Lehrerin für ihren Musterschüler aufbewahrt. »Genau. Wir setzen Filter ein, um Störgeräusche außerhalb des relevanten Frequenzbereichs zu löschen. Das hilft, aber dabei geht eben auch immer etwas verloren.«
Kharmai zuckte die Achseln. »Achtzig Prozent reichen mir. Okay, wer versteckt sich dahinter?«
Peterson minimierte das Spektrogramm und öffnete mit einem Doppelklick die dazugehörende Datei.
»Spektrogramm 243 55... Das ist die Stimme von Abdul Rahman Yasin.« Peterson schnappte nach Luft, als ihre Augen über die Informationen glitten. »Mein Gott, der Typ steht ganz oben auf der Fahndungsliste. Das FBI sucht ihn wegen neun verschiedener Delikte. Er hatte in den frühen Neunzigern im Iran mit der PMOI und 1993 mit dem Bombenanschlag auf das World Trade Center zu tun … Das ist dein Mann, Naomi.«
Kharmai beugte sich vor, um die Details auf dem Monitor zu studieren. »Wenn man von der Sprache absieht. Er spricht kein Deutsch und hat Arabisch in Tunesien gelernt. Das ist maghrebinisches Arabisch, aber wir haben die Sprache auf dem Band als ein Arabisch klassifiziert, wie es in der Golfregion gesprochen wird.«
Peterson blickte sie von der Seite an.
»Ist was?«, fragte Kharmai.
»Von einem Deutschen hast du nichts gesagt. Woher hast du das?«
Kharmai zuckte zusammen. »Tut mir leid. Die Information kam aus dem Babylon Hotel. Wir sind uns ziemlich sicher, dass die zweite Stimme einem Mann namens Kohl gehört. Dabei handelt es sich mit fast hundertprozentiger Sicherheit um einen Decknamen, denn die deutschen Behörden wussten nichts von einem deutschen Unternehmer in der Region.«
»Dann spricht er also Arabisch und Deutsch. Das grenzt die Anzahl der Kandidaten ein.« Peterson schloss das Fenster und bearbeitete sofort wieder die Tastatur.
9
Aleppo / London
Erich Kohl beobachtete von der anderen Straßenseite aus, wie der junge Mann seinen Tee austrank, das Café verließ und in Richtung des nördlich gelegenen Souk Khan al-Harir ging. Kohl gab einem enttäuschten Straßenhändler den Kupfertopf zurück, den er begutachtet hatte, und folgte dem Mann gemessenen Schrittes, wobei der Saum seiner zu langen Baumwollhose über den staubigen Boden schleifte. Kein Problem, ihn zu beschatten, dachte er. Man merkt, dass er noch nicht lange in diesem Geschäft ist.
Kohl war vor zwei Tagen in Aleppo angekommen und hatte umgehend vor dem Hotel südlich der Zitadelle Posten bezogen, wo al-Umari ein Zimmer gemietet hatte. Eigentlich war das Ganze eher überflüssig. Er wusste genau, wo der Iraker sich aufhielt, da er selbst ihm die Reiseinstruktionen gegeben hatte, und der junge Mann war zu fantasielos, um davon abzuweichen. Zumindest
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