Der Attentäter - The Assassin
Gasse lag verwaist da. Zufrieden schob er sein Knie zwischen die Schulterblätter des Mannes. Die Gewichtsverlagerung löste einen weiteren gedämpften Schmerzensschrei aus, doch Kohl ignorierte es und packte mit der linken Hand das fettige Haar seines Opfers. Er schob den rechten Arm unter das Kinn und riss den Kopf brutal nach hinten.
Einen Sekundenbruchteil später bedauerte er seine Tat, als die Wirbelsäule an zwei Stellen gleichzeitig brach. Das Geräusch klang wie ein Schuss in der engen, feuchten Gasse. Kohl steckte das Geld und den Ausweis ein und warf die Brieftasche weg. Ein paar Augenblicke später war er wieder auf der Straße,
wo ihn die Menge verschluckte. Hinter sich hörte er noch einen überraschten Aufschrei. Die Leiche war zu früh gefunden worden, aber Erich Kohl hatte sich bereits in Sicherheit gebracht.
Nach dem Anruf dauerte es keine zehn Minuten, bis die Akte gebracht wurde. Während Peterson durch ihre Unterschrift den Empfang bestätigte, wunderte sich Kharmai über das Tempo, mit dem das angeblich unauffindbare Dokument auftauchte. Ihr kam der Verdacht, dass es vielleicht nie wirklich verlegt worden war.
Der Gedanke, die Akte könnte absichtlich aus dem Verkehr gezogen worden sein, war interessant, schien Liz Peterson aber nicht gekommen zu sein. Sie wirkte fast gelangweilt, als sie die Akte öffnete und den eng gedruckten Text überflog.
Sie hob überrascht die Augenbrauen. »Mein Gott, das ist unglaublich.«
Kharmai rutschte unruhig auf der Stuhlkante hin und her. »Was ist unglaublich? Komm schon, Liz, ich sterbe vor Neugier.«
»Er ist Amerikaner, ein ehemaliger Soldat. Damit hättest du nicht gerechnet, was? Immerhin ist sein Arabisch fast perfekt, zumindest auf dem Band …«
»Liz.«
Peterson blickte auf, als sie ihren Vornamen hörte, und stellte fest, dass Kharmai plötzlich ganz bleich war.
»Wie heißt er?«
Ein weiterer Blick in die Akte. »Sekunde … Ich hasse es, wie sie diese Dinger zusammenstellen. Das Wichtigste findet man nicht … Ah, hier … Jason March.«
Kharmai kam es so vor, als wäre ihr plötzlich der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Als sie sich wieder gefangen
hatte, dachte sie alles durch, um eine rationale Erklärung zu finden.
Es musste ein Irrtum sein. Jason March war im letzten Jahr bei einem Luftangriff auf ein Ausbildungslager der Hamas ums Leben gekommen, nicht einmal einen Monat nach seinem gescheiterten Versuch, durch einen Bombenanschlag in der amerikanischen Hauptstadt drei der mächtigsten Politiker der Welt umzubringen. Sein Tod war von mehreren Seiten bestätigt und in den Führungsetagen der amerikanischen Geheimdienste gefeiert worden. Sie hatte selbst den Bericht gelesen, jemand hatte ihn an die Presse weitergegeben. Sich vorsichtshalber mit einer Hand am Schreibtisch festhaltend, streckte sie die andere Peterson entgegen, damit sie ihr die Akte gab. Das Bild darin musste das eines Unbekannten sein. Doch als sie das auf der ersten Seite klebende Foto sah, wurden ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt.
»Mein Gott«, flüsterte sie.
10
Langley, Virginia / Irak
Als Harper zehn Minuten zu spät das elegant eingerichtete Büro im sechsten Stock betrat, spürte er sofort, was für eine Anspannung in der Luft lag. Direktor Robert Andrews, wie üblich in einem seiner unvermeidlichen Ralph-Lauren-Anzüge, beendete gerade ein Telefonat. Ihm gegenüber saß Rachel Ford, die stellvertretende Direktorin. Sie trug eine beigefarbene Seidenbluse, kombiniert mit einem engen, marineblauen Rock. Ihre Frisur war ausnahmsweise perfekt, das dezente Make-up schien frisch aufgetragen zu sein. Ihr Zorn aber war fast mit Händen zu greifen und verzerrte ihre Gesichtszüge.
Sie wandte sich Harper zu. »Schön, dass Sie es einrichten konnten. Wie’s aussieht, braut sich hier etwas Unangenehmes zusammen. Nur für den Fall, dass Sie es nicht mitbekommen haben.«
Harper reagierte nicht auf die sarkastische Bemerkung. Er setzte sich und blickte sich um. Das Büro des Direktors lag in der Nähe seines eigenen und war etwa gleich groß. Harpers ordentliches, spärlich möbliertes Büro war nüchtern und funktional eingerichtet, auf persönliche Dinge hatte er bis auf ein kleines Foto seiner Frau ganz verzichtet. Der Direktor hatte einen völlig anderen Weg eingeschlagen. Er bevorzugte teure Mahagonimöbel und Sitzgelegenheiten aus italienischem Leder. Harper fand die Einrichtung überladen, aber irgendwie passte alles. Wie er seit langem
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