Der Attentäter - The Assassin
wusste, gab es augenfällige
Unterschiede zwischen altgedienten Geheimdienstlern und Leuten, die früher etwas anders getan hatten und für den Job nominiert worden waren. Doch unter den Quereinsteigern war Andrews angenehmer als die meisten anderen. Zu Letzteren zählte die Frau, die ihn gerade zornig anstarrte.
»Haben Sie das gesehen?« Ford zeigte auf einen ohne Ton laufenden Fernseher in der anderen Ecke des Raums. Trotz der Entfernung erkannte Harper die Bilder aufgebrachter, schreiender Iraker mit hastig gebastelten Transparenten, auf denen das Foto eines Geistlichen in einem langen Gewand zu sehen war. Das Gesicht erkannte Harper umgehend als das von Arshad Kassem.
»CNN zeigt den ganzen Tag nichts anderes«, fuhr die stellvertretende Direktorin mit kalter Stimme fort. »Einige bekannte religiöse und politische Autoritäten in Bagdad beschuldigen uns - und damit meine ich konkret uns , nicht die Vereinigten Staaten als solche -, in eine Entführung verstrickt zu sein, und die Medien stürzen sich auf die Story. Offenbar hat Kassem ziemlich wichtige Freunde. Und noch schlimmer ist, dass sie zwei und zwei zusammenzählen können. Schon jetzt kursieren Gerüchte, diese Geschichte könnte etwas mit dem Bombenanschlag auf das Babylon Hotel zu tun haben.«
Harper nickte, enthielt sich aber eines Kommentars. Der Direktor wirkte ähnlich ruhig; im Augenblick schien es ihn zufriedenzustellen, dass seine Untergegeben die Sache unter sich austrugen.
Ford hob genervt die Hände. »Also, wie sieht die Lage aus?«
Harper zuckte die Achseln. »Ich warte darauf, dass man mich auf den letzten Stand bringt. Im Augenblick weiß ich nicht mehr als Sie.«
Seine Gelassenheit war eine sorgfältig einstudierte Maske.
Tatsächlich war er wütend. Er hatte Kassems Entführung nie zugestimmt, und zwar genau deshalb, weil er keine Bilder sehen wollte, wie sie gerade im Fernsehen liefen. Und das war erst der Anfang. Obwohl der Präsident selbst gesagt hatte, Kealey sei der richtige Mann für den Job, änderte das nichts daran, dass sein Verhalten scharfe Kritik seitens des Weißen Hauses provozieren würde.
Auf der Heimfahrt nach dem Treffen mit Präsident Brenneman hatte er Ford über seinen Plan informiert. Dieser sah vor, den wichtigsten Informanten der CIA im Irak unangenehme Fragen zu stellen. Das schien nicht besonders einfallsreich, aber es war eine direkte und unkomplizierte Vorgehensweise, die in der Vergangenheit gute Resultate gebracht hatte. Abhörmaßnahmen und Satellitenbilder waren bei den Politikern im Kapitol beliebt, doch Harper wusste, dass der Einsatz ortskundiger Agenten häufig die verlässlichsten Informationen zutage förderte. Im Laufe der Zeit würden sie die Namen einiger Leute erfahren, die ein Interesse am Tod des irakischen Premierministers hatten. Doch jetzt konnte kein Zweifel mehr daran bestehen, dass Kealey nicht der richtige Mann für den Job gewesen war. Die Tatsache, dass selbst der Präsident sofort auf ihn gekommen war, spielte nicht die geringste Rolle. Wenn es um solche Gespräche ging, hatten Politiker ein kurzes Gedächtnis.
»Ich verstehe nicht, wie Sie das zulassen konnten«, sagte Ford. »Einen Mann auf eigene Faust agieren lassen, ohne Kontrolle, das ist einfach lächerlich. Wir können nicht mal …«
»Es funktioniert.« Allmählich hatte Harper die Nase voll von dieser Auseinandersetzung; dergleichen hatte er schon zu oft gehört. »Genau aus dem Grund, die ganze Kontrolle zu vermeiden, haben wir die Abteilung Special Activities eingerichtet.
In diesem Fall hat mich Pete Hemming persönlich informiert. Wenn es um Spezialoperationen geht, hat er übrigens das Sagen in Tyson’s Corner.« Damit bezog sich Harper auf das National Counterterrorism Center, einen hochmodernen Neubau in McLean in Virginia. »Er hat mir versichert, dass der Mann, der hier zum Einsatz gekommen ist, zu den Besten seines Fachs gehört. Wenn er Kassem aus der Stadt herausgebracht hat, gab es einen Grund dafür.«
»Soll das heißen, Sie haben keine Ahnung, wer dieser Mann ist?«, fragte Ford skeptisch.
»So ist es«, antwortete Harper sanft. »Leider.«
»Selbst wenn wir an ein paar wichtige Informationen herankommen, ändert das nichts an der Tatsache, dass er gegen alle Spielregeln verstoßen hat. Falls ich mich nicht sehr irre, haben wir keinen Präsidentenerlass, der diese Geschichte autorisiert. Ich will über alles genau informiert werden.«
»Kein Problem. Sie bekommen den Bericht genauso schnell
Weitere Kostenlose Bücher